home
Kontakt
Verein
Aktivitäten
Dokumentation
Standort Augsburg
Geschichte
Einrichtungen/Bauwesen
Kasernenleben
Namensgebung Einrichtungen
Kultur und Freizeit
Gesellschaft
Links
Sponsoren
Impressum

„Halle 116“ - Die Geschichte des Buildings 116

 

 

Im Zuge der NS-Kriegsvorbereitungen errichtete das damals in München ansässige Luftgaukommando VII in den Jahren 1936/37 die „Luftgaunachrichtenkaserne 7“ Pfersee, meist nur Luftnachrichtenkaserne genannt. Ein wesentlicher Gebäudebestand waren die fünf langgestreckten Kfz-Hallen mit jeweils 10 großen Stahlfalttoren und an den Enden befindlichen Kopfbauten mit den Treppenhäusern und Büros. Zusammen mit zwei seitlich im rechten Winkel angeordneten Mannschaftsunterkünften bildeten sie sogenannte Gehöfte. Bis zum Kriegsbeginn waren in der Luftnachrichtenkaserne überwiegend Mannschaften für die Fernmeldeausbildung untergebracht.

 

Soldaten der Luftnachrichtenkaserne vor Kriegsbeginn an den Toren des Gebäudes 116 (Fotos: privater Nachlaß, Vereinsarchiv).

 

Das Gehöft II in der Nordwestecke bei Stadtbergen errang im letzten Kriegsjahr einen unrühmlichen Ruf. Durch den alliierten Luftangriff auf die Messerschmittwerke in Haunstetten am 13. April 1944 wurde auch das dortige Zwangsarbeiterlager (KZ-Außenlager Dachau) von Bomben zerstört. Zur notdürftigen Unterbringung der noch überlebenden Häftlinge wurde umgehend das Gehöft II der Luftnachrichtenkaserne Pfersee mit seiner riesigen Fahrzeughalle herangezogen. Bis zum Kriegsende im April 1945 fanden dort Zwangsunterbringung, Mißhandlungen und nach Aussagen auch Strafhinrichtungen statt, die in der späteren juristischen Aufarbeitung örtliche Unklarheiten aufzeigten. 1500 bis 2000 Häftlinge waren dort nach verschiedenen Quellen in den Fahrzeughallen im Erdgeschoß untergebracht. Sie mußten überwiegend in den Messerschmittwerken für den Flugzeugbau im Schichtdienst arbeiten. Der Vorplatz sowie die nördlichen Außenanlagen wurden eingezäunt. Nach standesamtlichen Angaben wurden im Lager 74 Todesfälle registriert, Krankheiten und Mangelernährung trugen dazu bei.

Hierzu gibt es inzwischen zahlreiche Beschreibungen und Presseveröffentlichungen. Es existieren jedoch offensichtlich weder Fotos und kaum Dokumente des Geschehens. Ein ehemaliger Wehrmachtssoldat und Zeitzeuge schrieb im Jahre 2014 folgende Erinnerung auf: „Wir wurden am 12. Juni 1944 zum Luftnachrichtenregiment 302 in Augsburg Pfersee einberufen. Unsere Unterkunft befand sich über einem KZ in einem für Kraftfahrzeuge bestimmten Gebäude. Im 1. Obergeschoß, das rechts und links der Halle über ein Treppenhaus erreichbar war, befanden sich unsere Betten und Spinde. Die Raumeinteilung war mit Maschendraht ausgeführt. Am linken Treppenhaus stand ein Wachposten in Uniform der Luftnachrichten´ mit einem Maschinengewehr auf einem Dreibein. Die KZ-Häftlinge die in der Halle unter uns untergebracht waren, schliefen in mehrstöckigen Holzbetten…Die Häftlinge wurden als Arbeitskommandos auf LKWs zur Arbeit gefahren“.

Die Gefangenen des Blocks (später U.S. Army, Building 116) wurden am 26. April 1945 auf einem Todesmarsch bei Klimmach, Nähe Schwabmünchen, von den Truppen der 12. US-Panzerdivision befreit. Diesbezügliche Schilderungen von Zeitzeugen fanden allerdings später kaum eine weitere Verbreitung in den Medien (siehe aber: Gernot Römer: „Für die Vergessenen“ und Wolfgang Kucera: „Fremdarbeiter und KZ-Häftlinge in der Augsburger Rüstungsindustrie“, diverse Seiten). Für eine tiefergehende Einsicht in das Thema verweisen wir auf zahlreiche online-Publikationen, die sich dieser Erinnerungsarbeit widmeten.

Dieses Bild zeigt Truppenteile der 12. US-Panzerdivision in einem Wald bei Schwabmünchen. Dort befreiten sie die Todesmarschhäftlinge aus dem Lager Pfersee. (Foto: National Archiv / 12th Armored Division).

 

Eine Planzeichnung mit dreidimensionaler Zeitgeschichte: gezeichnet am 09.06.1943 als Lageplan der Luftnachrichtenkaserne, später von US-Seite mit den noch provisorischen zweistelligen Gebäudenummern versehen (hier .16, wurde später zu „116“) und eine Einzeichnung der KZ-Einzäunung von April 1944 bis Kriegsende 1945 (siehe links oben). Auffällig sind die markierten Gebäudeschäden durch Bombentreffer des letzten Kriegsjahres (Foto: Fold3-Archiv).

 

Mit dem Einmarsch der US-Truppen in die verschiedenen Kasernen Augsburgs begann 1945 auch für das Luftnachrichtengehöft II eine neue Gebäudegeschichte, die über 50 Jahre anhalten sollte: das Building 116 der amerikanischen Sheridan Kaserne. Zur Gebäudenutzung der frühen Nachkriegsjahre fehlen heute wesentliche Informationen, denn die Kasernenbelegungen waren mit den ständig ausgetauschten (Kriegs-) Militäreinheiten in einem dauernden Wechselzustand. Eine wesentliche Präsenz nahmen dort in den unmittelbaren Nachkriegsjahren die 71st und 9th Infantry Division ein. Nach dem Abzug der Constabulary-Besatzungspolizei im Jahre 1951 zeigen Fotos von 1953-1954 bereits die Anwesenheit der 43rd Infantry Division. Schon damals belegte eine Service Company der 102nd Infantry das Building 116 (siehe später: CMC).

In Plänen von 1959 wird das Gebäude bereits für Fahrzeuginstandhaltung mit Mannschaftsräumen im Obergeschoß definiert. In den 1960er Jahren der 24th Infantry Division belegten die Personnel Service Division PSD, der Data Service und die 105th Finance Section die Büroräume des Building 116. Das 2nd Recon Squadron, 9th Cavalry, benutzte das Gebäude von Anfang 1960 bis 1962 als Motorpool, im Obergeschoß befand sich dessen Hauptquartier. Von 1963 bis Anfang 1971 haben Teile des 2nd Battalion / 70th Armor (Panzerregiment) das Building 116 für Panzerreparaturen beansprucht.1976 zog die Standortbücherei (U.S. Army Library) aus den Reese Barracks in das östliche Obergeschoß von Building 116 und bildete dort die zweitgrößte US-Army-Bibliothek Europas. Schon ab etwa 1967 bestand an der Westseite des Gebäudes eine Snack Bar (Imbiß) mit Straßenverkauf, der durch zwei Fenster an der Giebelseite erfolgte.

 

Dieses Foto entstand zwischen 1949 und 1951 vor dem Bldg 116. Es zeigt Soldaten der 2nd Armored Cavalry, 3rd Bn, H Company im südlichen Wehrmachts-Gehöft II und ist ein Dokument frühester amerikanischer Gebäudegeschichte zur "Halle 116". Franklin Bamsey, der dort zu dieser Zeit stationiert war, besuchte Amerika in Augsburg e.V. im Sommer 2018 und versprach Fotos aus seiner Dienstzeit, die er Ende 2018 in großer Zahl zur Verfügung stellte.

 

 

                Heitere Kasernenszenen vor Bldg 116 mit Soldaten der 43rd Infantry Division, 1952.

 

 

Winteraufnahme von 1953 mit Fahrzeugen des 102nd US-Infantry Regiment der 43rd Infantry Division (Foto: Archiv Amerika in Augsburg e.V.).

 

1975: Parade anläßlich des 200. Geburtstags der U.S. Army auf der Wiese des einstigen „Gehöft 2“, im Hintergrund Bldg 116 (Foto: John Seely).

 

In den Jahren des Kalten Kriegs nutzten Teile des 63. Panzerregiments die Halle 116 zur Bereitschaft für den Verteidigungsfall gegen die Warschauer Pakt Staaten.

 

 

Das Stadtbergen Gate in den 1970er Jahren auf der Westseite des Bldg 116. Erkennbar ist die Snack Bar in der Gebäudemitte (Foto: J. Volstadt).

 

                    Eine der aktuellen Ansichten des früheren Büchereiblocks (Foto: Vereinsarchiv).

 

                                Der Büchereieingang im östlichen Kopfbau (Foto: Vereinsarchiv).

 

                        Ansicht der geräumten Büchereisäle im Dachgeschoß (Foto: Vereinsarchiv).

 

Eine große Bedeutung hatte ab 1971 die Ära des aus Dachau nach Augsburg verlegten Consolidated Maintenance Center (CMC) in dem von Panzern geräumten Gebäude. Die dem VII Corps zugeordnete Instandhaltungsorganisation Regional Support Elements (RSE) war mit den CMC-Stützpunkten Augsburg und Garmisch für alle Kasernen und Liegenschaften im Raum Südbayern zuständig. Das Personal des CMC setzte sich aus überwiegend deutschen, aber auch ausländischen Personal mit Zweigstellen in der Sheridan, Reese und Quartermaster Kaserne zusammen. Die rund 200 CMC-Zivilisten sorgten mit nur drei Militärangehörigen dafür, daß Gerätschaften jeglicher Art fachkundig, zweckmäßig und hochwertig repariert wurden.

 

Links: Hinweisschild zum Eingang des CMC-Office in Bldg 116. Rechts: Treppenhausgespräch zwischen deutschen Angestellten (Fotos: Nachlaß Tyroller).

 

                                CMC-Eingang am westlichen Bürobau (Fotos: Nachlaß Tyroller).

 

Der amerikanische CMC-Chief Captain Kerns von Augsburg an seinem Schreibtisch (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

             Der deutsche CMC-Chief Hans Tyroller an seinem Schreibtisch (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

Die beiden CMC-Chiefs Captain Kerns und Hans Tyroller an einem Außendienstfahrzeug (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

Dienstliche Szene vor dem Büroeingang. Offensichtlich wird ein US-Soldat des CMC für weitere Dienstjahre verpflichtet (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

„CAN DO“ war das Motto des CMC. Neben regierungseigener Möbel nahm man sich u.a. Büromaschinen, jeglichen Elektrogeräten, Rasenmähern, Foto- und Filmausrüstungen und vielem mehr an. Matratzenreparaturen, Bettfedernreinigung und das Stimmen von Klavieren zeigen die ungeheure Vielfalt der Tätigkeiten auf. Die Reparaturangebote waren in einem eigenen Handbuch erfaßt. In den Bays des Building 116 befand sich u.a. eine große Schreinerei, wo man auch Lackierarbeiten an Möbeln durchführte. Die Spritzkabine in der Bay 7 war mit einer CO² Löschanlage und einer Absaugeinrichtung für Lösemitteldämpfe ausgestattet, deren äußere Absaugrohre auch noch im Jahr 2018 existierten. Kfz-Reparaturen an nicht-taktischen (militärisch einfachen oder zivilen) Fahrzeugen fanden überwiegend in den Hallen des Building 125 statt. In den 1980er Jahren wurden monatlich rund 2500 Aufträge unterschiedlichster Art bearbeitet (das CMC belegte neben Building 116 auch die Gebäude 111, 125, 159, 177 und 178 sowie größere Freiflächen im Süden der Sheridan Kaserne). Die Beschäftigten waren mit ihren „militärischen Arbeitsplätzen“ stets hoch zufrieden und bildeten eine homogene Gemeinschaft mit großer Kollegialität. Sorgten sie doch über Jahrzehnte hinweg für das Wohl der amerikanischen Truppen in Südbayern und deren Einsatzbereitschaft im Kalten Krieg.

 

                        An der Rezeption des CMC-Centers im Bldg 116 (Fotos: Nachlaß Tyroller).

 

In der Schreinerei: links die Sägerei, rechts eine Lackierkabine für die Holzbearbeitung (Fotos: Nachlaß Tyroller).

 

Hans Reifgerste, damals der Chief der Abteilung COMMEL (Communication and Electronic Branch), war schon bald nach Kriegsende Zivilarbeiter bei der Augsburger U.S. Army (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

Weder Radiosender, noch Abhörabteilung oder Verhörraum war die Reparaturstelle für Elektro und Elektronik im Obergeschoß des Bldg 116 (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

Administration und technisches Know-how waren ständige Elemente der Gebäudenutzung in „116“ (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

Ordnung und Motivation zeichneten die Arbeit unter der amerikanischen Obhut aus (Fotos: Nachlaß Tyroller).

 

Auch die Schriften zur Arbeitssicherheit spannten einen weiten Bogen von Englisch bis hin zu deutscher Typografie (Fotos: Nachlaß Tyroller).

 

Mit einem mobilen Contact Team verrichtete man Arbeiten vor Ort wie das Reinigen von Teppichen und Polstermöbeln, sowie die Montage von Gardinen und Reparaturen fest installierter Geräte in den Wohnsiedlungen (Housing Areas), deren Fenstervorhänge sogar im CMC genäht wurden. Schlußendlich fand auch die Überholung, Reinigung und Reparatur von Feldausrüstungen (field equipment) statt. Mehrfach erhielt das CMC Wettbewerbsauszeichnungen für seine Dienstleistungen. 1987 wurde das CMC-Führungsteam aus Building 116 als „beste europäische Instandsetzungseinheit“ zu einer Preisauszeichnung in das Pentagon nach Washington D.C. eingeladen. Die RSE Instandsetzungsdivision drückte einmal aus, daß die Fähigkeiten der CMC-Belegschaft phänomenal seien. Das CMC verfügte über eine zivile Fahrzeugflotte, die in späteren Jahren auf dem erneut eingezäunten Hallenvorplatz vor Building 116 abgestellt waren. Diese aus Sicherheitsgründen vorgenommene Einzäunung entsprach weitgehend dem längst abgebauten Zaun des ehemaligen KZ-Außenlagers. Aus Unterlagen von 1988 geht auch hervor, daß zu dieser Zeit mehrere Militärpfarrer samt ihren Adjudanten im Bldg 116 ihre Räume hatten.

 

Einer der wenigen amerikanischen CMC-Mitarbeiter in der späteren „Halle 116“ (Foto: Nachlaß Tyroller).

 

Auszeichnungen und Ehrungen waren wesentliche Elemente der amerikanischen Arbeitgeberkultur (Fotos: Nachlaß Tyroller).

 

Links: Sattelschlepper-Zugmaschinen des 28th Transportation Battalion (37th Transportation Command) aus Mannheim zu Besuch in Augsburg. Rechts: Die CMC-Fahrzeugflotte auf dem Vorplatz von Bldg 116 (Fotos der 1990er Jahre: Vereinsarchiv).

 

Noch im Jahr 1990 baute man einen Besucherlift zur Truppenbücherei im Bldg 116 der Sheridan Kaserne (Fotos: Vereinsarchiv).

 

Mit der Rückgabe der Reese Kaserne im Jahr 1994 an die Bundesrepublik („Bund“) zogen verkleinerte, unverzichtbare Abteilungen des Directorate of Engineering and Housing (DEH) in das Sheridan Bldg 116 ein. Dies waren Werkstätten mit Handwerkern wie Installateure, Elektriker und Maler (Bay 9 und 10). Im westlichen Büro-Kopfbau befand sich zu dieser Zeit auch das Directorate of Engineering and Housing mit dessen Director (DEH), einem Major, sowie die Abteilungen Buildings & Grounds (Gebäude und Anlagen), Utilities (Energieversorgung), Construction Inspection (Bauleitung), Engineer Recources Management (Finanzhaushalt), und Environmental & Energy Conservation (Umweltschutz und Energieeinsparung). Die Aktivitäten des CMC erloschen mit dem schrittweisen Truppenabbau bis Mitte 1998.

 

                  Wegweisung im westlichen Treppenhaus von Bldg 116 nach dem Einzug des DEH.

 

Die Nutzungsgeschichte des Gebäudes war also wechselvoll: Nach Kriegsende erfolgte eine zunächst militärische, aber in späteren Jahren nur noch zivil geprägte Verwendung. Dies entsprach (zufällig?) in einer gebührenden Weise dem tragischen Hintergrund des letzten Kriegsjahres. Die dort im Dienst stationierten Soldaten hatten lange Zeit keine Kenntnis über die Vorgeschichte des Buildings 116 der Sheridan Kaserne. Jetzt, über 20 Jahre nach dem Truppenabzug, drängen Erinnerungsaktivitäten zum Gedanken eines musealen Erhalts des Gebäudes „Halle (Building)116“ in der Geschichtsdarstellung vor und nach 1945. Dieser Beitrag soll die Geschichte des Hauses aus der Perspektive der Nachkriegszeit darstellen.

 

Anblick im Originalzustand der US-Zeit auf die nördliche Rückseite von Bldg 116 mit den sichtbaren Abluftkanälen der Lackier- und Spritzanlage in der Bay 7. Die Konversion hat das Umfeld inzwischen deutlich verändert (Foto: Vereinsarchiv).

Copyright: Max Lohrmann, Amerika in Augsburg e.V.

 

Impressum

nach oben