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Schießplatz Haunstetten

 

Wer heute die Überreste der ehemaligen Schießanlagen im Haunstetter Wald aufsucht, wird von einer friedensbetonten Stille der Natur umgeben sein, unwissend vielleicht dessen, dass hier in rund einhundert Jahren von Volksfeststimmung, Kriegsausbildung und Militärdrill bis zu tragischen Hinrichtungen sehr unterschiedliche Facetten in der Verborgenheit des Augsburger Siebentischwaldes die Zeit geprägt haben.

Vorgeschichte

Die Geschichte dieses Areals ist denkwürdig. Schon 1886 nahm das damalige Generalkommando des I. Armeekorps die Schießplatzheide in Betrieb und übergab sie bald darauf der Augsburger Garnisonsverwaltung. Bis zum 1. Weltkrieg fand hier ausgiebiges Gefechtsschießen statt, und auch nach den leidvollen Jahren des Kriegsdebakels blieb die Nutzung des Platzes unverändert erhalten. Anfang der 20er Jahre sollen sogar leichte Minenwerfer der Reichswehr eingesetzt worden sein, und die Haunstetter Bürgerwehr übte sich ebenfalls im scharfen Schuss. Besitzer und Betreiber des Schießplatzes wechselten ständig, und zehntausende deutscher Soldaten wurden hier im Umgang mit der Handfeuerwaffe ausgebildet.

Zwischen den beiden Weltkriegen bekam der Schießplatz mit seinen angrenzenden Wirtschaftsgebäuden eine Freizeitdominanz. Die Gaststätte „Beim Harrer“ oder offiziell Gaststätte Schießplatz genannt (Wirt war Michael Harrer), bot unter einem ausladenden Kiefern- und Kastaniengarten Bier vom Faß und deftige Brotzeiten aus einem eher schmalen Angebot, und Sonntags ging man gerne mit „Kind und Kegel“, ganz familiär, zum Schießplatz in den Wald. Auf grob gezimmertem Mobilar war an schönen Sommertagen stets Hochbetrieb, die meisten Gäste brachten ihre meist kargen Brotzeiten selbst mit.

Für die Kinder gab es eine Tiervoliere mit exotischen Vögeln und eine selbst zusammen gezimmerte Schiffschaukel. Dass gleich nebenan während der Woche scharfe Schüsse fielen, war der bürgerlichen Freizeitbegeisterung offensichtlich nicht abträglich.

Ab 1934 wurde nördlich des Schießplatzes ein Munitionslager für die Artillerie angelegt, die Pläne weisen eine Gesamtkapazität von rund 40 Tonnen Sprengstoffmaterial aus. 13 Kleinbunker (Munitionslagerhäuser) zeigen z.T. noch heute von der Existenz dieser Zeit. Dass während des 2. Weltkrieges auf dem Schießplatz auch Hinrichtungen deutscher Soldaten und anderer Personen statt fanden, konnte zwar vom Freiburger Militärarchiv (Bundesarchiv) auf Anfrage nicht bestätigt werden, Anwohner des „Harrerhofes“ berichten jedoch von diesen Erlebnissen. Dies ist eine besonders dunkle Seite des Haunstetter Schießplatzes. Externe Forschungen bestätigen, wonach mindestens 25 deutsche Wehrmachtssoldaten nachweislich durch Erschießen umgekommen sind.

Bild links: Das Wirtshaus-Ehepaar Harrer am Schießplatz.

Bild rechts: Privatszene am Schießplatz Gasthof Harrer.

Die Zeit der Amerikaner

Nach dem Kriegsende am 28. April 1945 soll es acht Tage gedauert haben, bis amerikanische Truppen nach der Besetzung Haunstettens auch den versteckten Schießplatz im Siebentischwald auffanden. Nach der Beschlagnahme des Areals war zwar dort das Leid der NS-Herrschaft beendet, aber auch das einst fröhliche Schießplatztreiben gehörte von nun an der Vergangenheit an.

5 Kurz- und 6 Langbahnen wurden nun von den amerikanischen Besatzungstruppen genutzt, die Wirtschaftsgebäude verkümmerten aber allmählich oder fielen der Brandstiftung zum Opfer. Nach und nach wurden die Liegenschaften abgerissen. Die Bewachung des weiter nördlich gelegenen Munitionsdepots gewährleistete eine Labor Service Company.

Anfang Mai 1957 fand im Rahmen der deutsch-amerikanischen Freundschaftswoche ein Vergleichsschießen zwischen der Military Police der 11th Airborne Division und der Stadt- und Landpolizei Augsburg sowie den Bundeswehr-Feldjägern aus München statt. Die mehrstündig andauernden Duelle mit verschiedenen Handfeuerwaffen gipfelten im Gebrauch der legendären 12mm US-Armeepistole „Fourty-five“, auch Hosentaschenkanone genannt.

Auf einem Gebäudeplan von 1961 sind die Objektnummern von 1150 bis 1172 vergeben. Das Gesamtareal teilte sich in 57,6 ha Schießplatzgelände und 14,4 ha Munitionslager auf. Geschossen wurde zu dieser Zeit scharf und nach Haunstetter Zeugenaussagen „mit allem möglichen“, jedenfalls klang es so. Warnschilder wiesen überall auf die Gefährdung hin und verboten das Betreten des Schießgeländes. Vor allem in den 60er Jahren wurde der Platz von den in Augsburg stationierten Einheiten der 24th Infantry Division intensiv genutzt. Schießübungen fanden nach Berichten bis Ende der 70er Jahre statt. Die Soldaten wurden damals mit Armee-Omnibussen von den Augsburger Kasernen in den Wald nach Haunstetten gebracht.

Umstritten und ungeliebt war der Schießplatz bei den Haunstetter Bürgern von Anfang an – man sorgte sich um den Trinkwasserschutz und die Schwermetalle im Boden, hatte Sicherheitsbedenken jeglicher Art und der Lärm des Schießbetriebes störte die Haunstetter in besonderer Weise. Nach einer zeitweisen Beruhigung fand 1983 wieder eine Belebung auf dem Gelände statt, allerdings nur mit Platzpatronen, wenn notwendig bis 22 Uhr.

Denn ab 1984 vollzog die neu gebildete NCO-Academy für junge Unteroffiziere in der Sheridan-Kaserne ihre Geländeausbildung im nahe gelegenen Schießplatzwald, wozu auch eine Schießausbildung gehörte. Polizei und Bundeswehr nutzten bisweilen ebenfalls die dortigen Schießmöglichkeiten. Ende der 80er Jahre wurde es still auf dem Haunstetter Schießplatz. Schon Jahre zuvor, also mit Beginn des Platzpatronenbetriebes, verlegten die Amerikaner ihr reguläres Scharfschießen nach Schwabstadl auf dem Lechfeld.

Was folgte, war ein lang andauerndes Diskutieren über Nachnutzung, Eigentumsrechte, möglicher Bodenverseuchung durch Munitionsrückstände und Verwahrlosung der Restgebäude, während sich die Natur eifrig der Schießwälle, Kugelfänge und Betonmauern bemächtigte und sich mit den unterschiedlichsten Biotopen einrichtete. Die Naturschutzförderung bekam dort ihr eigenes Element zugewiesen, und neben einigen Betonfundamenten früherer Gebäude grüßte am Ende nur noch ein aufgesprühtes Servus Ami“ von der Außenwand eines ehemaligen Transformatorenhäuschens. Ganz so unbeliebt waren sie also wohl doch nicht, die Amerikaner im Haunstetter Wald...

            1952: GIs der 43rd Infantry Division beim MG-Schießen auf dem Haunstetter Schießplatz.

                                                           Am Schießplatz Haunstetten.

Bild oben links: Millard Plummer, Leiter der US-Schießplätze Haunstetten und Schwabstadl.

Bild oben rechts: Freundschaftlicher Bundeswehrbesuch (Mitte) bei der 2nd Brigade 24th Infantry Division.

Bild unten links: GI James Morgan auf Dienstfahrt im Haunstetter Wald.

Bild unten rechts: Werner Luthard (Mitte), Stabsunteroffizier der Luftwaffe in Lagerlechfeld, mit James Morgan (rechts) und einem anderen US-Soldaten. W. Luthard verstarb 2007 in Haunstetten.

Bild links: GI Smothers.

Bild rechts: Deutsch-Amerikanische Freundschaft in frühesten Jahren: GI Graham und Werner Luthard aus Haunstetten am Schießplatz.

                         Schießausbildung um 1960, 24th Infantry Division. (Foto: Kelling/Dollrieß).

                                                             Szene aus den 1980er Jahren.

Bild oben links: Bunker im Munitionsdepot.

Bild oben rechts: Erdwälle an den langen Schießbahnen.

Bild unten rechts u. links: Kugelfänge überall im Siebentischwald.

Wir bedanken uns beim Kulturkreis Haunstetten e.V. und Frau Cornelia Bühlmeier für die freundliche Unterstützung und Überlassung des historischen Bildmaterials.

Nachwort

Als im Oktober 2020 ein Münchener Heimatforscher dem Verein Amerika in Augsburg e.V. mitteilte, daß sehr wohl deutsche Wehrmachtssoldaten im Schießplatz Haunstetten erschossen wurden und er auch die Quellen dazu besaß, stellte er uns eine von ihm erarbeitete Liste mit markanten Einzelheiten der Exekutionen und Personenangaben zur Verfügung. Diese leiteten wir dem Verein Kulturkreis Haunstetten e.V. weiter, der dann mit dem Münchener Forscher Kontakt aufnahm. Auf beiden Seiten erfolgte eine intensive Nachforschung mit dem Ergebnis, daß 25 deutsche Soldaten und zwei Zwangsarbeiter im Siebentischwald wegen Belanglosigkeiten hingerichtet wurden.

In der Zwischenzeit beabsichtigten die Stadt Augsburg und der Bund den Abriß der gesamten Schießplatzanlage. Doch es sollte anders kommen. Mit der Offenlegung der Opfernamen und dem unermüdlichen Einsatz des Heimatkreises wurde nun das gesamte Schießplatzareal einschließlich der 13 Munitionslagerhäuser im Norden 2020 unter Denkmalschutz gestellt.

Die weitere Entwicklung führte zu einer Gedenkstätte vor dem großen Kugelfang am „Eulen Geräumt“. Diese wurde am 25.10.2022 von der Stadtdirektorin Dr. Melanie Haisch und Jutta Goßner, Vorsitzende des Kulturkreises Haunstetten, vor ca. 40 Gästen feierlich eingeweiht. Beeindruckende Ansprachen führten auch Dr. Markus Perpeet vom Bundesforstbetrieb Hohenfels und Dr. Herbert Veh, Landesgerichtspräsident a.D. durch. Gesegnet wurde der Gedenkort von zwei Geistlichen der Haunstetter Christuskirche.

Der Erinnerungsort ist mit einem Gedenkstein und einer Informationsstele ausgestattet, die alle ermittelten Namen der dort hingerichteten Menschen aufzeigt. Soweit der letzte Stand der Schießplatzära. Eine weitere Ergänzung der Geschichte ist nicht ausgeschlossen.

 

Jutta Goßner vom Kulturkreis Haunstetten schilderte die Bemühungen ihres Vereins zur Aufklärung der Todessschicksale und deren Gedenkens. Links die Vorderseite der Informationsstele.

 

 

Besucher unterschiedlicher Interessengruppen sowie politische Vertreter von Bund, Land und Region wohnten der Einweihung bei. (Fotos: Amerika in Augsburg e.V.).

 

 

Stele (links) und Gedenkstein (rechts) am Zugang zur Gedenksstätte vor dem großen Kugelfang. (Foto: becutya).

 

 

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