Zwischen den Stadtteilen Pfersee und Kriegshaber erstreckte sich auf einer Nord-Süd-Achse von 900 Meter und einer Ost-West-Achse von 500 Meter die rund 45ha große Augsburger "Reese Kaserne". Sie erhielt ihren Namen nach dem Gefreiten James W. Reese, der am 5. August 1943 auf Sizilien heldenhaft gefallen ist und post mortem mit der Tapferkeitsauszeichnung "Medal of Honor - Die Tapfersten der Tapferen" geehrt wurde.
Die im Zeitraum von 1934 bis 1936 erbauten drei Wehrmachtskasernen Arras, Somme und Panzerjäger wurden nach dem Krieg nahezu unbeschädigt von den amerikanischen Truppen eingenommen. Die südlich gelegene Arras- und Somme-Kaserne waren als ehemalige Artilleriekasernen für pferdegezogene (bespannte) Geschütze von einem deutlich zweckgerichteten Baukonzept geprägt: vier U-förmige Gebäudekomplexe mit Sichtmauerwerk und insgesamt rund 310 Meter Reithallen sowie 380 Meter Stallungen. Innerhalb der hufeisenförmigen Anlagen bestanden Reitwiesen. Der Straßenname "An der Pferdeweide" erinnert heute noch an diese Kasernenhistorie. Die wegen taktischer Motorisierung anders konzipierte Panzerabwehrkaserne im Norden des Areals war von vier langen Garagenzeilen mit insgesamt 580 Meter Torstrecke und technischen Werkstätten gekennzeichnet. Allen drei Kasernen waren die nach Wehrmachtsbaunorm errichteten Unterkunftsgebäude mit großen Exerzierplätzen und Kantinen zugeordnet.
Insgesamt bestach der spätere Charakter der Reese Kaserne mit einer facettenreichen Vielfalt, zumal die US-Truppen dort auch einige Neubauten für die soziale Infrastruktur und Nutzungsergänzungen erstellten. An der Sommestraße bestand über viele Jahre hinweg das Barackenlager des Labor Service. Die prägendsten Bauwerke waren jedoch zweifellos der 1971 errichtete stählerne Richtfunkmast im Nordwestteil sowie die beiden Kamine des Heizwerkes. Sie standen geradezu sinnbildlich für die Präsenz der US-Truppen in Augsburg. Daneben ergänzte das Offizierskasino und spätere Recreation Center (heute Kulturhaus abraxas) die bauliche Gesamtkomposition der Reese-Militäranlage.
Ein Blick zurück: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Amerikaner zunächst kaum Bedarf an der Belegung der zahlreichen Wehrmachtskasernen in Deutschland. Vielmehr galt es, die immensen Truppenkontingente in Europa baldmöglichst wieder in die Heimat zurückzuführen, was sogar nach einem Punktesystem zur gerechten Steuerung vollzogen wurde. Die Amerikaner nutzten die Arras-Kaserne zunächst als Lazarett für deutsche Kriegsgefangene. Im April 1947 erfolgte eine formelle Teilräumung des Lazaretts an die Stadt Augsburg. Die frei gewordenen Mannschaftsblöcke wurden danach als "Westkrankenhaus Augsburg" neu in Anspruch genommen. Bis 1950 verwaltete die UNRRA bzw. IRO (Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen) die Unterbringung von allein über 2500 ukrainischen Displaced Persons (DP´s) in der Somme-Kaserne, aber auch viele DP´s aus anderen Ostländern.
Mit der Verschärfung des Ost-West-Konflikts ("Kalter Krieg") zeichnete sich bereits nach 1950 eine dauerhafte Stationierung der US-Truppen auch in Augsburg ab. Die Umbenennung und Zusammenfassung der drei Wehrmachtskasernen zu einer amerikanischen "Reese Barracks" (so die militärisch-offizielle Bezeichnung) erfolgte erst im Jahr 1953. Während man in den darauf folgenden zwei Jahrzehnten nur temporäre Erhaltungsmaßnahmen durchführte, wurden von 1976 bis 1981 Erhaltungsmaßnahmen nach dem vom Bund finanzierten MOUSF-Programm (Modernization of U.S. Facilities) durchgeführt. Nach 1981 fanden sogar strategische Langzeitplanungen mit umfangreichen Bausanierungen statt, die sich nur wenige Jahre später vom überraschenden Ende der deutschen Teilung und der nachfolgenden Auflösung des Warschauer Paktes erübrigten.
"Die Reese", wie sie viele Augsburger fast schmeichelhaft nannten, war über 50 Jahre das Herzstück des Augsburger Kasernenriegels, zu der gesamtheitlich auch die angrenzende Quartermaster Kaserne (Supply Center), das Gästehotel an der Reinöhlstraße und die High School an der Deutsch-Amerikanischen Festwiese zählten. Die Reese Kaserne stellte auch stets den Sitz des Standortkommandanten in Augsburg.
Die nördliche "Reese" (damals Panzerabwehrkaserne) kurz nach der Erbauung in den späten 30er Jahren. Im Vordergrund die Ulmer Straße in Blickrichtung Kriegshaber.
Nahezu identisch waren die beiden Torwachen an der Ost- und Westseite der Reese Kaserne. Hier der Wachraum an der Langemarckstraße.
Wie ein erhobener Zeigefinger zeigte sich der filigrane Richtfunk-Gittermastturm überall in der Reese Kaserne. Die beiden Schüsselpaare waren nach Bonstetten und Gablingen gerichtet. Ein Rundstrahler sendete das Münchener AFN-Programm über 100 MHz, an der Spitze der Fernsehsender für die Augsburger US-Community.
Sicht auf den westlichen Reese-Teil mit dem Richtfunkturm.
Außen- und Innenansicht des stark gesicherten Funkturm-Technikraumes.
Unterkunftsgebäude und Exerzierplatz an der Langemarckstraße.
Links: Fahrzeugwaschplatz mit Rampe an der Ulmer Straße, im Hintergrund die St. Thaddäus-Kirche Kriegshaber. Rechts: Sporthalle.
Links: "An der Pferdeweide". Im Hintergrund alte Reithallen, Richtfunkturm und der Augsburger Gaskessel. Rechts: Rückseite einer Garagenzeile im Nordteil, im Hintergrund St. Thaddäus.
Links: In amerikanischen Jahren der Reese NCO-Club. Nach Abzug der US-Truppen war das Gebäude bis 2008 die Musikkantine von Sebastian Karner und Jürgen Lupart als Zwischenlösung zur Konversion. Rechts: Typische Ziegelbauten (ehemalige Pferdeställe) der Reese.
Alte Akazienbäume stehen im Kontrast mit dem Ziegelrot der Stallgebäude und kennzeichneten den Mittelteil des Kasernenareals.
Die beiden Kamine des Heizwerkes waren von jedem Punkt der Kaserne aus zu sehen.
Versunkene Welten in der Reese: Üppiges Straßengrün einerseits, brachliegende Altbauten in Hinterhöfen andererseits. Hier die ehemalige Wäscherei.
Sicht auf den östlichen Reese-Teil mit Tennisplatz, Kino und Recreation Center (ehem. Somme-Kaserne).
Gebäudeansichten des östlichen Teils an der Sommestraße.
Rettung ins Grüne: Die von den Amerikanern angebrachten Feuerfluchttreppen führten bisweilen zu prachtvollen Trauerweiden, die zur früheren Wehrmachtszeit zwischen den Unterkunftsblöcken gepflanzt wurden.
Links: Lager- und Werkstättenbereich des Bauhofs und Baumaschinenparks (Engineer Supply Point) außerhalb des Kasernengeländes zwischen Somme- und Reinöhlstraße. Dort befand sich in früheren Jahren auch das AYA Community Center. Rechts: Garagen an der Haupteinfahrt Sommestraße.
Kasernenkultur verschiedener Armeen: links ein Wandgemälde aus der Wehrmachtszeit (Zugang zur Somme-Mannschaftskantine), rechts amerikanische Dienstmotivation im Treppenhaus eines Unterkunftsgebäudes.
Hawaii, Idaho, Montana, Texas und andere. An der Klinkerwand der Reese-Wäscherei verewigten sich die GIs mit ihren amerikanischen Herkunftsstaaten. (Foto: Uni Augsburg).
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