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Die Wohnsiedlungen

 

Der nach der Berlin-Blockade forcierende Kalte Krieg zwischen den Westmächten und des Warschauer Paktes ließ eine massive Aufstockung der US-Streitkräfte in Deutschland erwarten. Schon im Januar 1950 festigten die Amerikaner ein Armeeprogramm für den Wohnungsbau für Soldaten und deren Familien, das allein in Augsburg zunächst 275 Wohneinheiten plante, wofür insgesamt 11 Millionen DM veranschlagt wurden. Die Richtlinien des "Standard-USAREUR-Buildings" sahen hierbei vier Grundtypen nach amerikanischem Wohnstandard vor, die jeweils ca.160 m2 Grundfläche umfassen sollten. Tatsächlich schwankten später die Wohnflächen zwischen ca. 70 bis 135 m2 (223 m2 bei einigen Offizierswohnungen im Fryar Circle). Die Wohngebiete sollten auf den Geländeflächen zwischen den Stadtteilen Kriegshaber und der Gemeinde Stadtbergen entstehen.

Im Oktober 1951 erfolgte der Spatenstich für die ersten zwei Wohnblöcke, gleichzeitig wurde auch das 2nd Armored Cavalry Regiment aus Augsburg nach Nordost-Bayern an die deutsch-deutsche Grenze verlegt. Als Ersatz stationierten sich Teile der 43rd Infantry Division mit ihrem Hauptquartier in Augsburg, während in Gablingen das 109th Infantry Regiment der 28th Infantry Division einzog (von dieser Einheit schildert John M. Holman in Brief 17 seiner Internetseite "Letters from Deutschland" den Erstbezug des Centerville-Gebäudes 514 am 9. Januar 1953. Er beschrieb es als Traumschloß, das man lange Zeit nicht mehr vergessen könne).

 

 

Unter dem Kommando des Augsburg Military Post, Corps of Engineers, begann 1952 der Neubau der "Nord-Süd-Straße" zur Verbindung von Reese und Sheridan Kaserne, bzw. Vogesenstraße in Kriegshaber zum Nestackerweg auf Stadtberger Seite; heute die Trasse der Bundesstraße 17. Die politische Bedeutung des Bauprojektes wurde mit großer Beflaggung (Amerika-, Deutschland- und Augsburg-Fahnen) herausgestellt.

In den Jahren bis 1955 entstanden die Wohnsiedlungen Centerville, Cramerton und Sullivan Heights sowie 1957 der Fryar Circle am Ortstrand von Leitershofen. Diese später in einen dichten Naturpark eingewachsene Wohnanlage war mit seinen 46 Einzel- und Doppelhausobjekten ausschließlich für Offiziere und hohe Dienstgrade vorgesehen. Das Cramerton wurde nach dem von Oktober 1951 bis November 1952 kommandierenden General der 43nd Infantry Division in Augsburg benannt, Kenneth F. Cramer. Er verstarb am 20. Februar 1954 Nähe Heidelberg bei einer Jagd durch Herzversagen. Sullivan Heights erhielt seinen Namen nach dem im Juni 1953 verstorbenen Captain Robert L. Sullivan, der nur knapp ein Jahr in Augsburg lebte.

Die entstandenen Wohnblocksiedlungen (Housing Areas) wurden weiträumig und übersichtlich ohne jegliche Einzäunung und Bepflanzung errichtet. Letzteres entsprach sowohl der amerikanischen Wohnkultur wie Sicherheitsbedürfnissen, die das Wohngebiet einsehbar machen sollten. Diese offene, gegliederte Bauweise mit z.T. straffer Lineatur läßt auch heute noch auf Luftaufnahmen amerikanische Garnisonsstädte in Deutschland erkennen, sofern die Wohnanlagen nicht dem Abriß zum Opfer gefallen sind. Schon im Mai 1953 äußerte der damalige 2. Bürgermeister Wolfgang Pepper sein Mißfallen an der Nüchternheit der unbepflanzten Wohnareals, fünf Jahre später verwies er nochmals eindringlich auf die wünschenswerte Begrünung der amerikanischen Wohnsiedlungen. Diese erfolgte jedoch erst in den 80er Jahren.

Die langgestreckten Zeilenbauten positionieren sich überwiegend in Nord-Süd-Ausrichtung, z.T. auch straßengebunden, und weisen 3 bis 4 Stockwerke auf. Typisch für die amerikanische Lebens- und Wohnkultur waren u.a. die unmittelbar vor den Wohnblöcken angelegten Abstellplätze für PKW oder der direkte flurlose Zugang in die Wohnungen. Die ausnahmslos angebrachten Flachdächer unterschieden sich damals von der üblichen deutschen Bauweise, waren jedoch nach über 20 Jahren vielfach undicht und bedurften einer grundlegenden Erneuerung. Sie erhielten im Zuge verbesserter Finanzmittel schwach geneigte Ziegeldächer, um den architektonischen Charakter der Wohnblöcke zu bewahren, was aber auch preiswerter und einfacher war als der Aufbau großer Dachstühle.

Zur Versorgung der Menschen entstanden Kinderspielplätze, Schulen, Kirchen, Einkaufszentren, Supermärkte, Tankstellen und Fast-Food-Restaurants. Viele weitere Infrastrukturen befanden sich auch innerhalb der Kasernen und erweiterten das Angebot der Truppenbetreuung (Büchereien, Post, Freizeit-Center, Clubs, Krankenstationen bzw. Hospital, überdachte Grillplätze, Bowling Center, Sportstätten u.a.).

 

Die mit den Wohnsiedlungen zeitgleich gebaute Bürgermeister-Ackermann-Straße zerschnitt die amerikanischen Liegenschaften zwischen Centerville Nord/Reese Kaserne und Cramerton/Quartermaster. Zum sicheren Überqueren der immer stärker frequentierten Ausfallstraße wurde für die Fußgänger der amerikanischen Wohnungen später eigens eine aufwendige Holzbrücke gebaut.

Diese militärisch verursachten Stadtveränderungen waren in Augsburg jedoch nicht unumstritten. Raumgrößen und Ausstattungen der Wohnungen weckten vielfache Kritik angesichts der deutschen Wohnmisere in der Nachkriegszeit. So wurden die Ansprüche der Besatzungsmacht auch nach der allmählichen Freigabe der beschlagnahmten Augsburger Wohnungen als unangemessen hoch betrachtet. Aus städtebaulicher Sicht äußerte der damalige Stadtbaurat Walter Schmidt größte Bedenken zu den sich abzeichnenden Stadtstrukturen. Er vertrat 1954 die Auffassung, daß die US-Bebauung den städtebaulichen Gepflogenheiten Augsburgs widerspräche und eine nicht wieder gut zu machende Bebauung darstellt. In der Tat bildeten die Wohnsiedlungen zusammen mit den Kasernen einen städtebaulichen Riegel im Augsburger Westen. Für manche Augsburger war dies später ein ungeliebtes Element, für andere wiederum das willkommene "Little America", das Augsburg über Jahrzehnte hinweg prägte und Quelle wirtschaftlicher Existenzen bedeutete. Obwohl die Amerikaner dort weitgehend unter sich blieben und das Eindringen der Deutschen nicht gerne gesehen war, entwickelte sich fast naturgemäß eine gesellschaftliche Subkultur mit Verflechtungen, die bis heute Bestand haben. So lebt Amerika immer noch fast unsichtbar in Augsburg weiter.

 

Die Bauqualität der Wohnungen umfaßte Details, die damals aus deutscher Sicht unbekannt waren. So wurde der Sicherheit von Kindern allergrößter Wert beigemessen: erreichbare Fenster erhielten Kinderschutzgitter, an Heizkörpern der Kindergärten wurden Berührungsschutzelemente angebracht und Heißwasserstellen waren dort mit Thermostaten zur Begrenzung der Wassertemperatur versehen. Auch bewegliche Fliegengitter entsprachen damals dem amerikanischen Wohnstandard. Herausragend war auch die Tatsache, daß die Wohnungen komfortabelst möbliert und sogar mit Hausrat wie Geschirr, Tischdecken und gar Silberbesteck zur Verfügung standen. Es fehlte an nichts.

Beheizt wurden die zahlreichen Wohnungen zunächst überwiegend mittels amerikanischer Kohle, die auf den Flächen der Quartermaster Kaserne (später Supply Center) lagerte. Teilweise wurde auch schweres wie leichtes Heizöl für Heizung und Warmwasser verwendet. Im Zuge der Energieeinsparungen und des wachsenden Umweltschutzes legte man die veralteten Heizanlagen still und schloß die meisten Gebäude an die Fernheizung der Stadtwerke Augsburg an, die zu diesem Zweck ein gasbetriebenes Heizwerk unmittelbar an der Quartermaster Kaserne errichteten.

Am Ende wies der Consolidated Plan Augsburg 93 große Wohnblöcke aus: Centerville mit 28, Cramerton mit 45, Sullivan Heights mit 18 und Fryar Circle mit 2 Stück. Bei jedem Mieterwechsel erhielten die (im Jahr 1989) 1836 Wohnungen, etwa alle zwei Jahre, eine Schönheitsrenovierung nach exakten Vergaberichtlinien. Daneben wurden auch 251 Wohnungen in z.T. komplett angemieteten Augsburger Gebäuden genutzt.

 

Nach dem Abzug der Amerikaner wurden die freigewordenen Wohnblöcke von verschiedenen Bauträgern saniert und den deutschen Gepflogenheiten angepaßt, was im Detail nicht immer zu gelungenen Ergebnissen führte. Dennoch hat man ihren Charakter und die umgebenden Grünbestände weitgehend erhalten sowie die Bausubstanz aufgewertet; das südliche Centerville ist leider samt seines Baumbestandes zum großen Teil eingeebnet worden. Amerikanische Straßennamen und undeutsche Baustrukturen machen heute noch darauf aufmerksam, "daß hier irgendwie einmal etwas anders gewesen sein muß".

 

 

Der Fryar Circle - eine am Ende verträumte Wohnwelt inmitten einer dicht gewachsenen Baumlandschaft. Hier waren die US-Offiziere unter sich, einen öffentlichen Durchgangsverkehr gab es nach dem Bau der neuen Bundesstraße 17 nicht mehr. Die Häuser Nr. 701 bis 703 waren für Generäle bestimmt, Nr. 704 bis 709 für Colonels. Ab Nr. 704 bis 746 wohnten Lieutenants Colonels und Majors. Nach maßvollen Rodungen, einer Gebäudesanierung und leichter Wohnverdichtung auf der großen Wiese blieb der Charakter der einstigen Wohnlandschaft weitgehend erhalten und wurde neue Heimstatt für Familien mit Kindern. Den anfangs denkmalschützerischen Anforderungen war letztendlich aber nicht mehr Genüge getan. Die Aufnahmen stammen kurz nach dem Auszug der Amerikaner. Die Architekten dieser Siedlung waren Friedrich Gnam und Franz Throll. 

 

 

Amerikanische Schule:

Mit dem Bau des südlichen Centervilles entstand im Frühjahr 1953 auch der weiträumige Komplex der Amerikanischen Schule (Dependent Elementary School) vom Augsburger Architekt Paul Gerne. Charakteristisch für die Baukultur der 50er Jahre waren auch die baulichen Akzente: nüchterne klare Linien, Geradlinigkeit und schnörkellose Ästhetik. Dies entsprach der Gesamtarchitektur der Wohnsiedlungen und fügte sich mit der Flachdachbauweise unauffällig dort ein. Die nachfolgenden Bilder veranschaulichen den Neubauzustand dieser Schule, mit der sich andere Augsburger Schulgebäude damals noch nicht messen konnten.

 

Quellen:

Historische Expertise zu den militärischen Konversionsflächen im Augsburger Westen (Stadt Augsburg; Geschichtswerkstatt Augsburg e.V.)

Engineer Design and Contract Philosophie (1976-1992) von Heinz Strüber

(siehe auch Beitrag unter >Standort Augsburg >Einrichtungen/Bauwesen >Bautätigkeit 1976-1992 als PDF-Datei)

sowie andere Dokumente.

 

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