home
Kontakt
Verein
Aktivitäten
Dokumentation
Standort Augsburg
Geschichte
Einrichtungen/Bauwesen
Kasernenleben
Namensgebung Einrichtungen
Kultur und Freizeit
Gesellschaft
Links
Sponsoren
Impressum

Rückkehranzeige (Notice of return)

 

Gablingen Kaserne, 1962. In der dort stationierten Panzeraufklärungseinheit der 24th Infantry Division steht für viele GIs die Heimkehr an. Einer der Soldaten setzt sich an die Schreibmaschine und verfaßt einen zweiseitigen Brief, der ihre Ankunft im fernen Amerika ankündigen soll. Es wird ein Text mit typisch amerikanischem, aber auch soldatischem Humor und frechen Floskeln. Und es sollte ein neutraler Brief für mehrere der Heimkehrer sein, vielleicht für eine ganze Kompanie? Deshalb fügte der Schreiber ein paar Leerzeilen ein, in die andere Soldaten ihre persönlichen Angaben einfügen konnten. Bemerkenswert ist die Darstellung einer „Germanisierung“, in die sich die Soldaten ironisch entglitten fühlten und ihre Angehörigen in der Heimat davor warnen wollten. Hatte Deutschland und Bayern so auf sie abgefärbt?

Wie die Reproduktion dieses Briefes erfolgte ist heute unklar, denn Fotokopierer gab es damals noch nicht. Und für mehrere Originalabschriften ist der Text doch sehr umfangreich. Hat man es gar gedruckt? Ein Veteran dieser Einheit hat uns „seinen“ Brief zur Verfügung gestellt. Wir wollen dieses ungewöhnliche Dokument der Allgemeinheit zugänglich machen. Es ist ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Baustein in der Darstellung des amerikanischen Truppenlebens in Augsburg.

 

 

RÜCKKEHRANZEIGE

Als ernste Warnung herausgegeben an diesem 12. Oktober 1962, an Familie, Nachbarn und Bekannte von Mr. Valentin P….

Sehr bald wird der Unterzeichnete wieder in eurer Mitte sein, dehydriert, demoralisiert und aus dem Militärdienst entlassen, um wieder seinen Platz als menschliches Wesen mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle in eurer Gruppe einzunehmen, engagiert im Leben in Freiheit, und ein wenig verspäteter Suche nach Glück. Während ihr voller Freude Vorbereitungen dafür trefft, ihn in der Gesellschaft wieder willkommen zu heißen, müsst ihr ein paar Zugeständnisse in Bezug auf das sehr raue Milieu machen, welches seine Heimat während der vergangenen 36 Monate war. In anderen Worten, er könnte ein wenig ein Europäer sein, der an Germanitis leidet, und den man mit äußerster Vorsicht behandeln muss.

Zeigt keine Sorge, wenn er vorzugsweise kurze Lederhosen anzieht und eine Aktentasche voll mit Wurst, Bier und altem Brot mit sich herumträgt. Seid nicht schockiert, falls er laut ruft „Wo ist der Bahnhof, Shatzie?“ und Steinhäger aus einem Ziegenhaut-Flachmann trinkt. Lehnt es ab, ihn lächerlich zu machen, wenn er mit seinem Fahrrad in der Mitte der Straße fährt und Kerle die Auto fahren anbrüllt. Bleibt ruhig, wenn er Soße auf seinen Nachtisch schüttet, Pfirsich und Seagram’s Seven (Whiskey) mischt, Cognac in seinen Eggnog (Eidotter mit Eierlikör) gießt oder sein Kartoffelpüree mit Schokolade garniert. Seid nicht im Geringsten überrascht, wenn er seinen musikalischen (mit Spieluhr) Bierkrug mit zu Tisch bringt und jedermann zuprostet. Lasst ihn gewähren und stopft ihn mit Rettich und Brezen voll.

Seid tolerant, wenn er seine Matratze vom Bett nimmt und lieber auf dem Boden schläft. Lasst euch nicht davon schockieren, falls er, wenn er ans Telefon geht „Gruss Gott“ anstatt hello sagt, und „Auf Weidersehen“ anstatt goodbye, in relativ kurzer Zeit kann man ihm beibringen, wieder Englisch zu sprechen.

Fragt ihn niemals, warum der Junge die Straße hinunter in der Lage war, einen höheren Dienstgrad zu erreichen als er, weil das bei ihm einen heftigen Anfall auslösen könnte. Macht auch keine Bemerkungen wie schick die Uniformen der Marines oder der Marine aussehen. Er wird verrückt werden, falls die Worte „Weiterverpflichtung“, „Nimm Sechs“, oder „Verlängere“ in seiner Gegenwart erwähnt werden. Vor allem fragt ihn nie, ob er eine Wanderung oder ein Picknick machen möchte. Das wird ihn veranlassen zu zetern und zu toben, und Krämpfe zu bekommen, während er im Haus herummarschiert und dabei „Links, zwo, drei, vier“ brüllt. Fragt ihn nie, warum der Nachbarssohn während seiner gesamten Dienstzeit in den Staaten stationiert war. Diese Frage könnte viele ernste Konsequenzen haben.

Fragt ihn niemals, ob er jemals während seines Wehrdienstes Geld gespart oder dies versucht habe. Das könnte ihn in einen Schockzustand versetzen, in dem er jammert über Soldiers Deposits (Bankeinlagen), Taxirechnungen, Schwarzmarkt, Würfelspiele, Pokern, Einkommensteuer, Bingo, Spenden an Rotes Kreuz, Pfennigparade, Army Soforthilfe, Wohltätigkeitsfunds, Herzzentrumsfunds, Leberzentrumsfunds, Kostenaufstellung, Verwirkung von 2/3 des Solds, auf Schwindler hereinfallen, KP (Ruhestands)Funds, Flüchtlingsfunds, Kontosperrungen, oder über überhöhte Bierpreise. All das mag bei ihn zutreffen.

Schüttelt nicht zweifelnd oder verächtlich euren Kopf, wenn er von seinen vielen Erfahrungen bei Oktoberfest, Fasching, Bahnhof, Rasthaus, auf der Strasse und bei Manövern erzählt, nicht zu reden von Deutschlands und Bayerns Wildnissen, (Schleißheimer Wald, etc.)

Diese Erfahrungen sind insbesondere für sein gealtertes Aussehen und die Zuckungsanfälle verantwortlich. Benutzt nie eine Trillerpfeife in seiner Nähe, weil er vor Angst, das nächste Antreten zu verpassen, aus dem nächstgelegenen Fenster springen könnte. Haltet ihn bei Laune, falls er während seiner ersten Woche zu Hause nach einem Ausgangsschein oder dem Abwesenheitsbuch fragen sollte, und ob es in der Stadt eine Ausgangssperre gibt. Seid nicht im Geringsten überrascht, falls er beim ersten Erspähen eines Militärpolizisten davonlaufen und sich verstecken sollte, da dies der natürliche Instinkt eines Militärangehörigen ist, besonders zu mitternächtlicher Stunde. Kichert auch nicht über ihn, wenn er Kriegsgeschichten der Operation Sabre Hawk (F-86), Grafenwöhr, Hohenfels, das Strasse Gebiet (?), Ansbach, und Corcon (Cordon) Bleu erzählt. Seid höflich und hört zu, wann immer er von seinen Medaillen erzählt. Der Orden der Lindo Bar, Atlantic Bar, Dolly Bar, Hillbilly Gasthaus, Occupation (Besetzung) Medal, Königlicher Cordon Blue Order, Tapferkeitsbelobigungen weit über die Pflicht hinaus, die Schlacht der „Alley“, Distinguished KP (Ruhestands?) Cross, und den Orden des Purple Shaft mit dreizehn Stacheldrahtbündeln.

Zeigt keine Überraschung, falls er, wenn ihr „chow“ (Essen (fassen)) sagt, fragt wo eure Gasmaske, Feldflasche, und Gewehr sind. Die ersten paar Tage wird er seine Mutter als Küchenhilfe abkommandieren, und seinen Vater draußen auf Posten, so dass keine Angreifer ihn gefangen nehmen können. Vergesst nicht, jedes Mal Benzin, Öl, Kühlwasser, Batterie, Keilriemen und Reifendruck zu kontrollieren, und einen Beifahrer zur Luftraumüberwachung mitzunehmen, bevor ihr mit dem Familienauto wegfahrt, weil er sonst androhen könnte, euch den Führerschein abzunehmen, dass ihr ein potentieller 208 (??) seid, oder dass er euch einen Article 15 (Strafzettel) gibt.

Während der ersten Monate, die er zu Hause ist, solltet ihr, bis er stubenrein ist, besonders wachsam sein, wenn er in der Gesellschaft von Frauen ist, insbesondere von solchen, die jung und schön sind. Nach Monaten in denen er Frauen in Filmen gesehen hat, denen von hübschen Männern der Hof gemacht wurde und die geliebt wurden, könnte er denken, er sei selbst ein Meister dieser Kunst. Seine Absichten sind ehrlich, wenn auch etwas unehrenhaft. Seid nicht überrascht, dass er, wenn ihr ihn einer jungen Dame vorstellt, anstatt ihr die Hand zu geben, ihr sanft auf den Hintern klatscht und „Wie gehts Shatzie?“ ruft. Korrigiert das so bald als möglich, wobei ihr immer daran denken solltet, dass hinter seinem braungebrannten und markantem Äußeren ein Herz aus Gold schlägt --- das einzig Wertvolle, das er noch hat. Verwöhnt ihn mit Freundlichkeit und Toleranz, und einem gelegentlichen Quart (0,95 l) schnapps, und ihr werdet in der Lage sein, das zu rehabilitieren, was jetzt die leere Hülle des einstmals stolzen Zivilisten ist, den ihr mal kanntet.

Valentin P. H. ....

(Gehaltslistenunterschrift)

P.S. Sendet keine Post mehr in care of Postmaster (z.H. der Postdienststelle), New York N.Y. Bringt alle Frauen außer Sichtweite, holt die Kinder von der Straße, füllt den Kühlschrank mit Bier, entmottet die Zivilklamotten, und habt ein vollgetanktes Auto.

ICH KOMME HEIM

 

Übersetzung: Heinz Strüber 02. Nov. 2016

 

              Die Heimat wartet auf sie: die Männer des 2nd Reconnaissance Squadron, 9th Cavalry.

 

Impressum

nach oben