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Deutsch-Amerikanisches Volksfest

 

Um 1960, in manchen Städten früher – in anderen etwas später, begann in den amerikanischen Garnisonsorten die Ära der Deutsch-Amerikanischen Volksfeste, auch Freundschaftsfeste oder Ami-Märkte genannt. Militärisch gesehen war es die Zeit des gefestigten Kalten Krieges, im Bereich Augsburg des VII US-Corps die Stationierung der 24th Infantry Division. 1961 erfolgte der Mauerbau, ein Jahr später die Kubakrise.

Die Anfänge der Volksfeste waren bescheiden und wurden durch die American Youth Activities (AYA) mit der Kinder- und Jugendbetreuung initiiert. Veranstalter war jeweils die örtliche US-Armee, die Städte selbst hatten keinen Einfluß auf die Gestaltung und Lizenzierung der Schausteller und Festzeltbetreiber. Es gab allerdings einen Deutsch-Amerikanischen gemeinsamen Ausschuß (DAGA), der die Aspekte der Festausrichtung mitbestimmte. Hierbei sollte neben der Teilnehmerausschreibung insbesondere der amerikanische Kultur- und Livestylefaktor ausreichend Berücksichtigung finden. Mit der Benennung „Little Oktoberfest“ gewann die bayerische Komponente in München eine Ausnahmerolle.

 

Mit ungewöhnlichen Wortschöpfungen machten die Plakate das Deutsch-Amerikanische Volksfest publik. Dies war wohl auf die Initiatoren der Veranstaltung zurückzuführen.

 

 

Einen zusätzlichen Augsburger „Plärrer“, den Ami-Plärrer, bildete das amerikanische Volksfest am Rande der Reese Kaserne. Hier eine Luftaufnahme um 1990 (via Bobbi Martinek).

 

1963 hat es nach Aussagen auch in Augsburg begonnen. Festwirt Erwin Ebert verköstigte anfangs mit seiner „Hühnerbraterei“ die deutschen wie amerikanischen Gäste, danach erhielt die Augsburger Fortuna Brauerei die Lizenz der Festzeltbewirtung. Weitere Wirte waren Max Lutzenberger und kurzzeitig Amanda Loew mit ihrem "jungen Zelt". Dabei kamen auch andere Augsburger Brauereien ins Spiel. Der später bekannt gewordene Festzeltbetreiber Charly (Kaspar) Held pachtete damals bereits den Küchenbetrieb. Die Deutsch-Amerikanischen Volksfeste waren gerade in den frühen Jahren für die Einheimischen ein ungewohnter Tummelplatz der Schlemmerei, der (Fast Foods) amerikanischen Küche und der bayerischen Spezialitäten. Dazu zählten unter anderem Hamburger und noch unbekannte Speisen, wie gegrillte Maiskolben (Corn on the Cob), BBQ-Ribs (Schälrippchen), Tex-Mex Taco´s und vor allem das legendäre „Ami-Eis“ (American Ice Cream). Allein dieses ist bis heute ein unvergeßliches Merkmal der amerikanischen Zeit und war allein schon ein Grund zum Besuch des Volksfestes.

Das Eis wurde in rechteckigen Pfundpackungen (american pound: 454 g) in den Einzelsorten Erdbeer (Strawberry), Vanille (Vanilla), Schokolade (Chocolate) und als beliebteste Sorte das „Neapolitan“ (Fürst Pückler-Set: Erdbeere, Schokolade, Vanille) blockweise und massenhaft an den/die (Augsburger) Mann und auch Frau gebracht. Man stand dazu in Schlange an. Bis 1956 wurde das Augsburger Eis nach Aussage in der Bäckerei der Quartermaster Kaserne hergestellt, danach für alle Standorte in der Bundesrepublik im EES (European Exchange System) Depot Grünstadt. Auch die original Softdrinks aus den USA, wie Coke, Pepsi, Dr. Pepper, Root Beer (Kräuterlimonade) oder Mountain Dew fanden ihre deutschen Liebhaber, während „original“ US-Bier in Dosen oder 0,33l-Flaschen, wie z.B. „Miller“, „Budweiser“ oder „Coors“ eher verschmäht wurde.

Barzahlung gab es nicht. Für die amerikanischen Vergnügungen mußten an einer Kasse Dollar-Tickets oder Chips gekauft werden, die dann als wechselgeldfreies Zahlungsmittel überall auf dem Festplatz galten. Lediglich in den gewerblich betriebenen Bierzelten wurde mit Bargeld bezahlt. Zu Zeiten, als der Dollar noch 4,20 Deutsche Mark wert war, genossen die amerikanischen Soldaten ein nahezu unbegrenztes Konsumvergnügen. Dies mußte dann oft von der Militärpolizei entsprechend unsanft in geordnete Bahnen gelenkt werden. Der übermäßige Alkoholgenuß führte aber auch zu rassistischen Auseinandersetzungen mit blutigen Entgleisungen, man sprach von Massenschlägereien. Dazu kam mancher Heimwehfrust. Dem ungebremsten Maßkrugklau kamen die Festwirte kaum noch hinterher. Dies führte letztlich zu Billigkrügen ohne Brauereiemblemen, was den Souvenirspaß der US-Soldaten stark einschränkte.

 

                         Ein Veranstaltungsinserat von 1972 und eine Festzelt-Preistafel von 1981.

 

Ein kasernentypisches Ordnungsschild am Zugang zum Festplatz. Man bewegte sich auf „Military Area“. (Foto: Archiv AiA).

 

          High School-Studentinnen vergnügen sich an einem Fahrgeschäft. (Fotos: Crystal Mitchell).

 

Natürlich waren auch die „Coke´s“ und „Pepsi´s“ ein gefragtes Getränk (die ankommenden GIs aus den Staaten wurden allesamt über die Wirkung des deutschen Gerstensaftes hingewiesen. Einerseits wegen des höheren Alkoholgehalts des deutschen Bieres in den ungewohnt großen 1-Liter-Gebinden (Maßkrüge) und andererseits wegen der Tatsache, daß in den meisten US-Bundesstaaten Alkoholgenuß erst mit 21 Jahren erlaubt ist).

Das „etwas andere Fest“, wie es der spätere Festwirt Charly Held nannte, bot Skurrilitäten auf, wie sie der Augsburger Plärrer niemals kannte. Da war u.a. das Wettspiel mit Eiswürfel „Chuck-a-Luck“, oder „Dunk-Ball“, ein derber Soldatenspaß insbesondere um den Vatertag im Mai herum. Hierbei wurde die Schadenfreude der Menschen befriedigt. Bei einem freiwilligen Soldaten, der auf einem Klappbrett inmitten eines großen Wasserbottichs saß, konnte man mittels treffenden Ballwurfs eine Mechanik auslösen, die den lautstark spottenden Zeitgenossen ins Wasser plumpsen ließ. Alternativ gab es diesen Spaß, bei schönem Wetter, auch mit hübschen Bikinimädchen.

Beliebt war natürlich auch der „Jail“ (Gefängnis) im Stil eines Wildwest-Gefängnisses, in das man gegen einen kleinen Obulus seinen (ungeliebten) Sitznachbarn vom Sheriff einsperren lassen konnte. Oder das „Bull-Riding“, das immer eine größere Anzahl (schadenfroher) Zuschauer anlockte. Für Kinder wurde passend zur Wildwest-Romantik Pony- oder Pferdereiten aufgeboten.

Knallig, bunt und schrill ging es zu. Die Musik war bayerisch, laut und auch country-amerikanisch; die Bierzeltstimmung am Abend kochend rhythmisch, ein Minikosmos, der dem Kalten Krieg und seinen Notwendigkeiten geschuldet war. Draußen konnte man sogar alte US-Straßenkreuzer mit dem Vorschlaghammer zertrümmern. Unverzichtbar waren die klassischen Schießbuden, Kettenkarussell, benzinbetriebene (abgasintensive) Go-Karts, Autoskooter und zeitgemäße Fahrgeschäfte. Es wurden auch Familientage mit ermäßigten Preisen angeboten. Als Besonderheit des Augsburger Volksfestplatzes galt die grüne Wiese, statt Schotter und Asphalt.

 

American Ice Cream. 2015 wurde in der ehemaligen Garnisonsstadt Bremerhaven das beliebte Eis originalgetreu nachproduziert und auf einem nostalgischen „Amimarkt“ (Freundschaftsfest) verkauft. (Screen Shot AiA).

 

Das Bürgerbräu-Festzelt von Charly Held war ein elementarer Treffpunkt der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft und faßte 2000 Personen. (Foto: J.P. Barham).

 

Nicht immer „Volksfest“, und dann auch das etwas „Andere“ Volksfest. Die Gestaltung oblag den jeweils lizenzierten Wirten bzw. Veranstaltern.

 

                   Der Diebold-Autoskooter zog die US-Jugendlichen stets magisch an. (Foto: AiA).

 

Blick auf den „Dunk Ball“-Wasserbottich. Der rote Punkt auf der gelben Wand war der mechanische Auslöser zur Wassertaufe. (Foto: AiA).

 

                 Charly Held (links) im Gespräch mit einem Zivilarbeiter des DEH. (Foto: Archiv AiA).

 

Szenen auf dem Volksfestplatz. Die Veranstaltungen dauerten knapp zwei Wochen. (Foto: Archiv AiA).

 

Das Festplatzgelände gegenüber der High School war auch Teil des militärischen Sicherheitsbereichs und damit hoheitliches Militärareal mit entsprechenden Warnschildern. Diese führten sich jedoch zu Zeiten des Volksfestes ad absurdum (Zutrittsverbot für Unbefugte, Warnung vor Schußwaffengebrauch und Fotografierverbot). Sichtbar präsent zeigte sich stets die amerikanische Nationalflagge. Auch Vereine wie der Kiwanis-Club brachten sich mit Verkaufsständen ein. Der Erlös aus den amerikanischen Speisen- und Getränkeverkäufen und den von den US-Soldaten betriebenen Vergnügungen ging in der Regel an US-Sozialeinrichtungen des Standortes Augsburg.

Irgendwann in den 1980er Jahren regte Festwirt Held an, das Volksfest sogar zweimal jährlich abzuhalten, was die Organisatoren erheblich strapazierte und nur ein paar Mal gelang. Am Ende waren es 38 Veranstaltungen in der Ära der US-Garnison Augsburg. Natürlich war ein Volksfestbesuch für die Augsburger Stadtrepräsentanten Pflicht und Kür zugleich. Für das zwischenmenschliche Gedeihen sorgten u.a. die bei den Amerikanern beliebten bayerischen Abende. Inwieweit sich hier Deutsch-Amerikanische Freundschaften tatsächlich entwickelten, weiter pflegten oder gar zu späteren Beziehungen führten, sagt keine findbare Statistik aus. Hatten sich hier die GIs den Deutschen mehr geöffnet, als es sonst der Fall war? Selbst dies können keine Archive oder Zeitungsberichte belegen. Auch führen Nachfragen heute zu nur manch vagen, aber doch schwärmerischen Erinnerungen. Schön war´s, super war´s, ach ja – und das Ami-Eis! Einfach köstlich!

 

                  Amerikanische Facetten inmitten eines fast üblichen Volksfestplatzes. (Foto: AiA).

 

1992: Oberbürgermeister Dr. Peter Menacher (2. v. Links) am Tisch mit COL Terrance (Rechts). (Foto via Public Affairs Office).

 

Das vorletzte Volksfest 1997 (Links) und mit kleinem Riesenrad zum Abschluß 1998. (Fotos: Archiv AiA).

 

Der Volksfestplatz an der Bgm.-Ackermann-Straße (unten) aus der Luft. Links die ehemalige High School. (Bing Maps).

 

Noch im Jahr 2007 war der Festplatz ein Identifikationsmerkmal zur Ortsbestimmung anderer Veranstaltungen. (Foto: Earl Bonenblust).

 

F.

 

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