(die fast vergessene US-Kaserne)
Die im Stadtteil Hochfeld gelegene ehemalige "Prinz-Karl-Kaserne" wurde nur 17 Jahre von den amerikanischen Streitkräften genutzt. Von 1951 bis 1968 war sie die vierte Kaserne, die der durch den Kalten Krieg verursachten Truppenexpansion in Augsburg Aktionsraum verschaffen sollte.
Im November 1884 bereits belegten zwei Bataillone des Königlich Bayerischen Dritten Infanterie-Regiments "Prinz Carl von Bayern" das neu geschaffene Kasernenareal zwischen Von-der-Tann-Straße und Schertlinstraße. 1897 wurde ein weiteres Bataillon von Lindau nach Augsburg-Hochfeld verlegt, was den Neubau von zwei zusätzlichen Kompaniegebäuden erforderte. Der über 10 ha umfassende Geländequader war ringförmig umbaut und enthielt im Inneren große Exerzier- und Freiflächen. Dominante Bauwerke waren die beiden gewaltigen, in Sichtziegelbauweise geschaffenen Unterkunftsblöcke an der Nord- und Südseite. Sie beherbergten jeweils ein Bataillon mit 750 bzw. 770 Soldaten. Auf der Ostseite des Innengeländes befand sich später ein großes Sport- und Reitfeld.
Nach dem Ersten Weltkrieg erzwangen die Siegermächte eine Reduzierung des dortigen Regiments auf nur ein Bataillon. Doch schon mit der Wiederaufrüstung im Dritten Reich erfolgte der Kasernenausbau mit zwei langen Garagenzeilen und einer Kfz-Werkstätte. Der neue Name "Infantriekaserne" wurde 1935 erhoben. Vorgesehen war die Einrichtung eines Panzergrenadier-Ersatzbataillons, das dann 1940 zum Schützenregiment 40 und ab 1943 zum Panzergrenadier-Regiment 40 umbenannt wurde. Die Kaserne erhielt im März 1945 einige alliierte Bombentreffer an der Hochfeldstraße, die u.a. den östlichen Flügel des an der Von-der-Tann-Straße gelegenen Unterkunftsblocks zerstörten (die Amerikaner ließen die Halbruine bis in die 1960er Jahre stehen).
Der südliche Unterkunftsblock an der Schertlinstraße (Geb. 301) mit dem Haupttor.
Der nördliche Unterkunftsblock Geb. 309 an der Von-der-Tann-Straße.
Einzäunung und Gebäude 308 an der Von-der-Tann-Straße.
Die nordwestlichen Gebäude 307 und 308 mit gestrichenen Fassaden.
Nordeingang und Straßenansicht bei Geb. 309.
Nach dem 1945/46 erfolgten Abriß einiger bombengeschädigter Gebäude wurden die bestehenden Unterkünfte zunächst für wohnungslose Bürger, Flüchtlinge und Vertriebene genutzt. 1950/51 nahmen die US-Streitkräfte die Liegenschaft an sich. Die Gebäude erhielten 300er Nummern, die U.S. Army baute auf der Westseite lediglich eine Snack Bar mit Kino hinzu. Auf diese Weise vereinigten sich in der dortigen Baukultur drei Militärepochen.
Die Amerikaner nutzten die bestehenden Gebäude in praktikabler Weise wie überall: es blieb die Garnisonskapelle (Geb. 313) an der Südostecke von Schertlin- und Hochfeldstraße sowie das Geb. 304 nahe der Bahnlinie als Mess Hall. Das kleinere Gebäude 302 an der westlichen Schertlinstraße wurde als EM-Club umgewidmet. Die großen Unterkunftsblöcke (Geb. 301 und 309) hat man als solche weitergenutzt. 1961 eröffnete die 24th Infantry Division eine Sprachschule in der Kaserne. Ausgestattet mit schalldichten Kabinen entsprach dieses Sprachenlaboratorium dem gleichen, das ein Jahr zuvor in der Reese Kaserne eingerichtet wurde. In zweiwöchigen Kursen sollte Offizieren wie einfachen Soldaten die Sprache ihres Gastlandes vermittelt werden. Zu Beginn waren fünf Klassen mit jeweils 15 Schülern vorgesehen.
Das ehemalige "Garnisons-Arrestlokal" bzw. Militärgefängnis betrieben die Amerikaner in gleichem Sinne für weiße Soldaten. Nach ihrem Abzug 1968 wurde das Gefängnis-Areal für die zivile Nutzung als Justizvollzugsanstalt räumlich abgetrennt und mit einem Erweiterungsbau versehen. Im historischen Ziegelbau brachte man den jugendlichen Strafvollzug unter.
Eine historische Besonderheit war den Amerikanern durchaus nicht im Wege: In der Mitte des Geländes stand das ringförmige, aus Backsteinziegeln gemauerte Löwendenkmal zu Ehren der Gefallenen des 3. Kgl. Bayer. Infanterie-Regiments 1914/1918. Es wurde nach einer Restaurierung und Ummauerung 1933 erneut eingeweiht, erstellt hatte man es ursprünglich schon 1898. Der bronzene Löwe befand sich bereits von Anfang an auf dem Paradeplatz, wurde jedoch für den Ersten Weltkrieg zur Metallgewinnung in mehrereTeile zerschnitten und sollte zur Einschmelzung gelangen. Dies blieb ihm aus fernen Gründen erspart, was ihm zu neuem Leben verhalf.
Das Löwendenkmal im Jahr 2011. Die Metalltafel (rechts) wurde von der 24th Infantry Division zum Totengedenken am 20. November 1966 angebracht.
Welche genauere Belegung die US-Kaserne in der ersten Hälfte der 1950er Jahre inne hatte, ist nur noch schwer zu ermitteln. Nachvollziehbar war dort stets die Highway Patrol und Military Police vorstellig. Von November 1951 bis Frühjahr 1954 befanden sich im Gebäude 301 an der Schertlinstraße Teile des 3rd Battalion, 109th Infantry Regiment, 28th Infantry Division: die Hauptquartierskompanie, die L-(Schützen) Kompanie sowie die M-Kompanie für schwere Infanteriewaffen. Deren Munition war in Gablingen gelagert, wo sich auch das 109. Infanteriehauptquartier mit der NCO-Akademie befand. Nach dem Einzug der 11th Airborne Division 1956 in Augsburg quartierte sich am Hochfeld die 11th Company der 17th Airborne Recon Cavalry sowie das 188th Infantry Regiment Eagle der 11th Airborne Division ein. Ab 1957 kam das 508th Military Police Battalion (C und später D Company). Mit der Divisionsumstellung fanden dort bis zur endgültigen Kasernenschließung verschiedene Einheiten der in ganz Augsburg präsenten 24th Infantry Division ihr Domizil: dies waren im Nordbau an der Von-der-Tann-Straße (Geb. 309) die 246th Transportation Army Aviation Maintenance Company, im Südbau (Geb. 301) die 24th Combat Aviation Company vom Haunstetter Flugplatz und das komplette 24th Medical Battalion. Im Hauptgebäude 301 an der Schertlinstraße befand sich auch die Personalaustauschabteilung "Replacement Detachment" der 24th Infantry Division. Gegen Ende der Kasernenzeit war in der "Infantry" auch eine Petroleum Supply Company des 657th Quartermaster anwesend. Im Gegensatz zu den im Augsburger Westen gelegenen großen US-Kasernen waren die Amerikaner hier in unmittelbarer Nähe des Stadtkerns angesiedelt.
385th Transportation Company, 109th Infantry, am Gebäude 301 an der Schertlinstraße. Im Hintergrund die Bahngleise am Haltepunkt Morellstraße. (Foto: Jonnie Worth, 3rd Bn 109th Inf, 1951).
Motorpool-Area mit den Garagen Bldg 310, im Hintergrund der zerbombte Ostflügel des Bldg 309. (Foto: Jonnie Worth, 3rd Bn 109th Inf, 1951).
Der Motorpool mit den Wehrmachtsgaragen auf der Ostseite der Kaserne, hinten links das Militärgefängnis (Foto: Norman D. Guiling).
Rückseite von Geb. 309 mit Blick auf die große Kasernenwiese (Foto: Guiling).
Der zerstörte Ostteil an der Von-der-Tann-Straße (Geb. 309), Foto: Norman D. Guiling.
Blick auf Gebäude 307 mit Flaggenmast auf der Wiese (Foto: Norman D. Guiling).
Führung der A-Company des 24th Medical Bn (im Hintergrund der Nordblock 309).
Dienstszene um 1960 im Südteil der Kasernenanlage. Rechts Gebäude 304 (Foto: Kelling/Dollrieß).
Im Hintergrund der Südblock Geb. 301 (Foto: 24th Infantry Division).
Sommerszene 1956 am Südgate Schertlinstraße: 3rd Battalion 188th Infantry Regiment "Eagles". (Foto: Gregor Grover via Walter Elkins).
Händedruck für an- und abreisende US-Soldaten an der Replacementstelle an der Schertlinstraße (Foto: privat).
Nach dem US-Abzug 1968 wurden in der wieder "Prinz-Karl-Kaserne" genannten Liegenschaft verschiedene kleinere Bundeswehr-Dienststellen des Territorialheeres einquartiert, darunter auch das Verteidigungsbezirkskommando und das Kreiswehrersatzamt. Von den beiden denkmalgeschützten Unterkunftsblöcken ist der südliche vorbildhaft erhalten und saniert worden, ebenso zwei weitere Gebäude. Das weite Kasernenareal erfuhr im Zuge der Konversion eine gemischte Wohnbebauung und ist zu einem beschaulichen kleinen Stadtteil herangewachsen. Die große Wiese wurde zur Hälfte samt des geschichtsträchtigen Löwendenkmals als Ruhezone zur Wohnanlage bestehen gelassen. Der nördliche Unterkunftsblock mitsamt dem davor gelegenen Denkmal zum deutsch-französischen Krieg von 1870/71 (Königlich Bayerisches 4. Feldartillerie-Regiment) wartet derzeit -2012- noch auf eine dem Denkmalschutz gerecht werdende Sanierung.
Links: GI Thompson aus Californien verewigte sich 1965 auf dem Dachstuhl des Gebäudes 309 (Nordblock an der Von-der-Tann-Straße). Ein Kamerad aus Cincinnati tat es ihm gleich. Rechts: W.T. Cooper III aus Belleville/Michigan markierte sich am 25. März 1966 am Dachstuhlkamin des Bldg 309. US-amerikanisches Graffiti neben Schmuckbemalung aus der Königlich-Bayerischen Zeit: eine militärische Symbiose ohnesgleichen. Die Fotos entstanden im Jahr 2016.
|