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AFN-American Forces Network

„Der amerikanische Militärsender AFN ist in Deutschland zur Legende geworden. Das American Forces Network soll mit populärer Musik und lässigen Moderatoren nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Generationen junger Deutscher begeistert und „amerikanisiert“ haben. Anja Schäfers untersucht die Institutions-, Programm- und Wirkungsgeschichte des Senders bis Mitte der 1960er Jahre und kommt zu differenzierten Urteilen: Es wird deutlich, daß AFN kein reiner Musiksender war, sondern ein vielseitiges Programm mit Informationen, Bildung und Unterhaltung geboten hat. Als Sender der US-Streitkräfte war er in ein militärisches System eingebunden und in den Kalten Krieg involviert.“

(Auszug aus einem Verlagszitat zu Anja Schäfers Buch „Mehr als Rock`n`Roll, AFN bis Mitte der sechziger Jahre“, Transatlantische historische Schriften, 2014. Anja Schäfers ist Journalistin, Historikerin und studierte auch Amerikanistik).

 

 

Gerade in den beiden ersten Nachkriegsjahrzehnten war der Empfang dieses „seltsamen Radioprogramms“ für die deutsche Gesellschaft äußerst fremdartig, die Lockerheit der Moderation völlig ungewohnt und angesichts der noch nicht durchgreifend beherrschten englischen Sprache für nur wenige Bevölkerungsteile verständlich. Dazu kam der US-linguistische Kaugummieffekt der Sprecher, der sich vom akzentuierten Englisch des britischen Königreichs deutlich unterschied. Das streckenweise Ineinanderfließen von heiterer Sprache, Hintergrundstimmen und Musik war für die Rundfunkkultur im streng geordneten Nachkriegsdeutschland völlig neuartig. Einmal wöchentlich gab es einen Deutschkurs für GIs, was von deutschen Zuhörern als willkommener Englischkurs wahrgenommen wurde. Eine klassische Win-win-Situation.

Über die Andersartigkeit der Musik ganz zu schweigen. Während Country, Glenn Miller, Louis Armstrong, Big Band, Philly Sound, Jazz, Blues und Rock´n´Roll die Notenblätter bzw. Schallplattenrillen bestimmten (Luncheon in München, Hillbilly Guesthouse, Stickbuddy Jamboree, Bouncing in Bavaria), gab es in den deutschen Musikprogrammen Hits wie „Pack die Badehose ein“. Es war eine nahezu galaktische Trennung der Hörfunkkultur, wo deutsche Nachrichtensprecher an darstellerischer Seriosität kaum noch zu überbieten waren. Locker, heiter und amüsant war dagegen die Prägung des AFN-Senders. Leichte Musik ertönte in den frühen Jahren bei Old Gold Retold. Zu Legenden wurden die verschiedenen DJs mit ihren individuellen Ausdrucksformen, die Namen wie Roger Carroll, Willie Wild, Casey Kasem, Bob Kingsley, Dick Orkin, Billy Boyd, aber auch Bill Ramsey sind noch vielen bekannt und unterschiedlich in der Gunst der Erinnerungen. Ihre Popularität richtete sich nach der jeweiligen Zeit. Stimmen wie Rick Scarry übten mit ihrer dezent angerauhten Oberfläche eine ganz besondere Faszination aus.

Die Ungezwungenheit eines Mischprogramms, das gerade die Jugend der tristen Nachkriegsjahre ansprach, andererseits von vielen älteren Deutschen konservativ-ablehnend als „Negermusik“ bewertet wurde, gerade dies war der Schmierstoff einer neuen gesellschaftlichen Bildung. Nicht in jedem Haushalt lief auch mangels Radiogeräte AFN, aber immer öfter und bei Jugendlichen als Zeichen des Aufbegehrens in eine neue Zeit. Eine „Zeit“, welche die Kriegsgewinner und Besatzer als Reisegepäck auf den europäischen Kontinent brachten.

 

 

Entspannungsszene eines US-Soldaten. Bei einer Zigarette lauscht er genußvoll den AFN-Klängen aus dem Kofferradio. (Foto: The Big Pictures Screenshot).

Der Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder verstärkten den medialen Sogeffekt. Die Unterhaltungsversorgung der US-Truppen führte auch zur Reeducation der deutschen Bevölkerung. Und sie wurde sehr wohl angenommen. Mit AFN kam die amerikanische Musik nach Deutschland. In Augsburg hörte man entweder den Bayerischen Rundfunk, oder amerikanisch. Private Sender nach AFN-Vorbild gab es erst in den 1990er Jahren. Und man vernahm es in Zeiten des Kalten Krieges angenehm beruhigend, daß die „Amis“ (Amerikanische Streitkräfte) zum militärischen Schutz präsent waren. Denn der Russe stand zeitgemäß stets (bedrohlich) vor der Haustüre.

 

 

AFN war ein Soldatensender des amerikanischen Militärs. Er sollte die Stimme von zuhause und der Heimat (Voice of Home) vermitteln. Er war ausschließlich für amerikanische Soldaten gedacht. Die Uniformierung war Vorschrift, wurde aber bisweilen mit Erlaubnis der Vorgesetzten ignoriert.

 

Es wurde nahezu alles von Schallplatten gespielt. Zwei „Turntables“ standen links und rechts des Mischpultes, damals noch mit Drehreglern ausgestattet. Die Schallplatten hatten einen Durchmesser von 40 cm. (Bilder oben: The Big Pictures Screenshot, unten: AiA).

 

Die Geschichte des AFN und seine Technik

Die Soldaten des Radiosenders American Forces Network sendeten ab Juli 1943 ein amerikanisches Radioprogramm für die in Großbritannien stationierten US-Truppen. Ihr Hauptsitz war London. Gegründet wurde AFN dort schon ein Jahr zuvor von den Generälen Eisenhower und Marshall. Nach der im Juni 1944 erfolgten Normandie-Invasion (Overlord) wurden die auf dem europäischen Kontinent vorrückenden drei US-Armeen mit einem gemeinsamen Rundfunkprogramm versorgt. Da der amerikanische Vormarsch immer wieder außer Reichweite des in London befindlichen Senders geriet, wurden zusätzliche mobile Sender auf Lastwagen eingesetzt. Am Abend des 7. März 1945 verkündete ein mobiler Sender aus Köln stolz die Eroberung der viertgrößten Stadt Deutschlands durch Courtney H. Hodges, der befehlshabende General der Ersten US-Armee.

Dem Militärrundfunk wurde von den Verantwortlichen eine große Bedeutung zur Motivierung der US-Streitkräfte mit Informationen, Musik, Unterhaltung und auch Sport zugedacht. Anfang April 1945 meldete AFN, daß sich alle seine mobilen Sender auf deutschem Boden befänden. Aus rein praktischen Gründen nutzten die Soldaten auf ihrem Vormarsch nach Möglichkeit geeignete Ortsobjekte als Antennentürme, statt eigene aufzubauen. Am 8. Mai begingen die alliierten Streitkräfte den Tag des Sieges in Europa, welcher von den drei mobilen AFN-Sendern in Deutschland gebührende Aufmerksamkeit erfuhr. In München Ismaning sendete die wenige Tage alte Militärregierung mit „Radio  München“ bereits am 12. Mai unter dem Dach der Kontrollbehörde 6870 DISCC (District Information Services Control Command) ein Programm.

Ein mobiler AFN-Sender war der Siebten US-Armee nach München gefolgt. Als AFN-Mitarbeiter dort eine feste Radiostation aufbauen sollten, beschlagnahmten sie die vom Krieg fast unbeschädigte Villa des 1944 verstorbenen Gauleiters Adolf Wagner („Kaulbach-Villa“ in der Kaulbachstraße). Vor allem benutzten sie die dortige unterirdische Direktleitung zum 160 Kilowatt-Sender in Ismaning. Noch in den letzten Kriegstagen rief der zuletzt in die Villa nachgefolgte Gauleiter Paul Giesler Durchhalteparolen aus. Am 8. Juni* 1945 ging „AFN Seventh Army Munich“ als erster Soldatensender in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg auf Sendung, dies noch auf dem mobilen Sender der 7th U.S. Army und in deren Namen. Doch die Soldaten bemerkten nicht, daß die Siebte Armee München überraschend verlassen hatte und neuer Befehlshaber General George S. Patton von der Dritten US-Armee war. Dieser lehnte nicht nur einen mobilen AFN-Sender kategorisch ab, sondern erzürnte sich auch über die ausgestrahlte Mitteilung, daß die Siebte Armee den AFN in München zum Leben erweckt haben soll. Was zwar personell stimmte, aber den militärischen Gegebenheiten nicht mehr entsprach. AFN München führte auch die Aufzeichnungen und Ausstrahlungen über die Nürnberger Prozesse durch. Rund 2000 Tonbänder sind heute im Nationalarchiv der Vereinigten Staaten archiviert.

* Über die Erstausstrahlung gibt es auch die Angabe 10. Juni, die nicht stimmen dürfte.

 

 

               Die einstige AFN-Zentrale in der Münchener Kaulbachstraße und das Gebäude heute.

1951 beschäftigte AFN Europe 136 Soldaten und Zivilisten in Sendestudios in Frankfurt (Hauptquartier Hoechster Schloß), Nürnberg, Stuttgart, Bremerhaven, Berlin und München,126 Stunden die Woche. Insgesamt versorgten damals 23 AFN-Sender, die über die gesamte US-Zone verstreut lagen, das EUCOM-Publikum mit Programmen. Die Nachrichten kamen von AP und UPI, live von CBS, Mutual und ABC (Paul Harvey).

AFN München/Augsburg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges errichtete die US-Militärregierung am Lechdamm bei Hochzoll (Lechdammstraße) einen Mittelwellensender mittels einer T-Antenne, die zwischen zwei 40 m hohen Holzmaste gespannt war und mit 773 kHz sendete. Nach einer kurzen Nutzungszeit durch den AFN wurde der Sender an den Bayerischen Rundfunk übergeben und von diesem 1952 gänzlich stillgelegt. Der genaue Standort konnte lt. Wikipedia bis heute nicht ermittelt werden.

Im Mai 1951 installierte der BR in München-Ismaning zwei 94m hohe, abgespannte Stahlgittermaste mit der Frequenz 800 kHz für seinen Nachtbetrieb. Von 1969 bis 1992 dienten diese zur Ausstrahlung des AFN-Programms auf Mittelwelle 1106 bzw.1107 kHz. Im November 1951 nahm der AFN dort zwei weitere 137m hohe abgespannte Stahlgittermaste als Richtstrahlantennen in Betrieb, die 1963 bzw.1969 wieder abgebaut wurden.1968 erfolgte eine Erneuerung der aus dem Jahre 1932 stammenden Sendeanlage durch einen „Continental Electronics“ 50 kW Senderblock mit 1107 kHz. „AFN Munich“ konnte schon in den 1950er Jahren auf Mittelwelle in ganz Europa empfangen werden und befand sich sogar auf der gedruckten Senderskala der damaligen Radiogeräte.

 

 

                 Der Mittelwellen-Sendemast am Vehicle Park in seiner letzten Position. (Foto: AiA).

Bis 1965 versorgte AFN München über die Sender Ismaning die Truppen in Augsburg. Dann errichtete „Munich“ ganz in der Nähe am Vehicle Park einen 56 m hohen Antennenmast (Bldg 750) zur Verbreitung des Radioprogramms auf Mittelwelle 1484 kHz (ab 1978 mit 1485 kHz) zwischen Fryar Circle und Sheridan Kaserne. Mit diesem Regionalverstärker wollte man den Truppen der 24th Infantry Division eine bessere Radioversorgung anbieten wie über den Hauptsender in München. Da die Antenne genau im Trassenverlauf der später geplanten Westtangente stand, mußte sie in den 1980er Jahren geringfügig nach Süden zum Vehicle Park versetzt werden. Dort war sie bis zum Abzug der US-Truppen in Betrieb und über Jahrzehnte hinweg für Generationen von Augsburgern der Atem Amerikas. Die Versetzung wurde in einem Abkommen zwischen der US-Army und der Oberfinanzdirektion München am 27.06.1985 im Beisein von OB Breuer im Fürstenzimmer des Rathauses unterzeichnet. (Der Funkturm in der Reese Kaserne diente u.a. nur dem amerikanischen Fernsehen, für deren Empfang spezielle US-Decoder benötigt wurden).

 

 

Der Augsburger Musiker Dolf Beutner moderiert 1968 beim AFN München. Der US-Sender profitierte ungewollt von der jungen Hörerschaft, da die damaligen Hörfunkprogramme der ARD die Jugend vernachlässigte. (Foto: via Christine Hornischer). DJ konnte im Grunde jeder US-Soldat werden, wenn er dem Anforderungsprofil entsprach und eine 15monatige Ausbildung absolvierte.

 

 

Von 1983 bis zum Abzug 1998 wurde der AFN auch vom Post-Sendeturm Welden auf FM-UKW 100,0 MHz ausgestrahlt und war wegen des guten Empfangs die maßgebliche Empfangsquelle für die Augsburger Hörer. Das Studio München (ab November 1984 nicht mehr in der Kaulbach-Villa, sondern in der neuen ortsnahen Adresse Kaulbachstraße 45, einem bis dahin von der Bundeswehr genutzten Gebäude) stellte seinen Betrieb im Februar 1992 ein. Danach erfolgte die Senderversorgung aus Würzburg. Rund Tausend Zuschriften mit deutschen oder amerikanischen Absendern gelangten in den ganzen Betriebsjahren monatlich in die Kaulbachstraße. Die in München gelagerten rund 70.000 Schallplatten wurden am Ende mit zwei LKWs zur Augsburger Sheridan Kaserne gefahren und dort aus urheberrechtlichen Gründen mit einem Bulldozer auf dem Panzerabstellplatz beim Bavarian House vernichtet.

 

 

Oben: AFN-Patches der früheren Zeit. (Foto: usarmygermany). Das im Berichtsanfang zu sehende runde blaue Logo war bis 1989 im Gebrauch. Unten: Logo des heute weltweiten Markennamens der Defence Media Activity (DMA).

 

Quellen und Recherchen: AFN, Augsburger Allgemeine Zeitung, Bayerischer Rundfunk, Historisches Kolleg, Netzfunk, Radio Journal, RADIOSZENE, usarmygermany, Wikipedia sowie persönliche Kontakte und Archivunterlagen des Vereins.

 

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