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German Youth Activities (GYA) Augsburg

 

Was macht ein Kriegsgewinner und Besatzer mit einem einst diktatorischen Land, das ihm den Krieg erklärt hatte, welches er dann in Schutt und Trümmer bombardierte und anschließend durch die Besatzung seiner Truppen in seine Gewalt gebracht hat... Rache? Vergeltung? Herabsetzung in ein frühzeitliches Entwicklungsstadium (Morgenthau-Plan)? Vernachlässigung? Bestrafung? Politische Vereinnahmung? Über diese Bandbreite haben später Historiker Analysen verschiedenster Art publiziert und je nach politischer Ausrichtung unterschiedlich gewichtet.

Die Sachlage vor Ort war wie bekannt vorgegeben: die Siegermächte haben in Voraussicht der politischen Entwicklungen nach ihrer jeweiligen Interessenlage agiert. Die drohende Erweiterung der kommunistischen Hemisphäre veranlaßte die amerikanische Regierung und ihre Truppen zu entsprechenden Barrieren gen Osten. Gleichzeitig durfte Deutschland nicht wieder in nationalsozialistisches Denken abrutschen. Das Land lag in Trümmern, Not und Hunger prägten den Alltag, Männer waren Mangelware, die Frauen perspektivlos und für die Zeit nach Aufhebung des Fraternisierungsverbots im Oktober 1945 für die amerikanischen Soldaten von natürlichem Interesse. Da gab es aber auch noch ein Heer von Kindern, meist vaterlos, oft Vollwaisen und ohne Halt und Orientierung im besiegten Land. Sollte man die Jugend dieses kriegsverursachenden Landes sich selbst überlassen? War Umerziehung (Reeducation) das richtige Mittel, die Jugend Deutschlands vor erneutem nationalistischen Abdriften zu bewahren? Kannten sie doch bisher nur eine totalitäre Diktatur, Krieg und die Verführung eines Führerstaates.

Die Schulen waren geschlossen, Jugendorganisationen wegen ihrer NS-Vergangenheit verboten. Die ersten Waffen zur Versöhnung mit den Feindeskindern waren für die amerikanischen Soldaten nicht schwer handzuhaben: hießen sie doch ganz einfach legere Freundlichkeit, Kaugummi und Schokolade. Und die bisher unbekannten Männer schwarzer Hautfarbe taten sich da besonders hervor. Zigaretten wurden eine Ersatzwährung. Mein Gott, war das alles plötzlich anders!

Bereits im September 1945 begannen Überlegungen der 7th U.S. Army und der Militärregierung zur organisierten Jugendbetreuung, bekannt geworden unter dem späteren Namen German Youth Acitivities, kurz GYA genannt. Diese bekam im Frühjahr 1946 konkrete Formen. Konnte man damit sowohl den deutschen Kindern helfen und den Soldaten eine sinnvolle wie befriedigende Aufgabe vermitteln? Wie konnten Spaß, Bildung, Sport und ein positives Amerikabild in einen Transfer geschichtlicher Einmaligkeit zusammen gebracht werden? Gleichzeitig sollten die damit betrauten Soldaten von deutschen Frauen und Alkohol in den einschlägigen Clubs abgehalten und einer sinnvollen Beschäftigung mit Kindern zugeführt werden. Denn diese spielten notgedrungen in den Trümmern der Bombenangriffe und waren auf den Straßen den oft gefährlichen Machenschaften des Nachkriegslebens ausgesetzt. Sogar zur Schwarzmarkttätigkeit wurden sie eingesetzt.

 

US-Soldat am Eingangstor des GYA-Heims Remboldstraße, Blick hinaus zum Schwibbogenplatz, Richtung Vogeltor (Mai 1954). Das diamantförmige Zeichen im Willkommensschild oben links ist der "Red Diamond", das Abzeichen der anwesenden 5th Infantry Division. (Foto: Nachlaß Isolde Ehrensberger).

 

Überall in der amerikanisch besetzten Zone wurden die Zeichen einer neuen Zeit gesetzt. (Foto: U.S. Army, Screenshot).

 

Bis Mitte der 1950er Jahre entwickelte die US-Armee ein vielfältiges Programm für Jungen und Mädchen unterschiedlicher Altersklassen. Die geschlechtsspezifischen Neigungen wurden dabei gebührend berücksichtigt: Sport und Basteln für die Buben - Musik, Handarbeit und Maschineschreiben für die Mädchen. Am 28. November 1948 konstituierte sich im Hotel Kaiserhof das Komitee der German Youth Activities. 1949 bestanden in der Augsburger Einrichtung rund 100 strukturierte Jugendgruppen aller Richtungen. Wöchentlich waren bis zu 1000 Kinder zu Gast. Um der eingeschränkten Beweglichkeit der Bevölkerung nachzukommen, fuhr eine mobile Jugendbücherei in die äußeren Stadtbezirke von Augsburg. Daß die amerikanischen Sportarten wie Basketball oder Baseball die Jungenherzen besonders begeisterte, lag sicher im Kalkül der Besatzer. Natürlich wurde auch deutscher Fußball gespielt – alles unter der Aufsicht von Soldaten und unter den Regeln des „fair play“. Weitere Betätigungen waren Filmabende, Tanz und Theater, aber auch Gesang, Musik, Fotografie und Lesen. An Thanksgiving und am St. Nick´s Day (Erntedank und Nikolaus) fanden Veranstaltungen mit Augsburger Waisenkindern statt, die GYA-Kinder engagierten sich auch wohltätig in Krankenhäusern und Flüchtlingslagern. Es erfolgten öffentliche Auftritte, Skilager, Fahrten an den Ammersee oder Zeltlager im Hof des GYA-Heims an der Remboldstraße. Die Aktivitätenvielfalt war bemerkenswert groß.

 

   Buben der Nachkriegsjahre beim Erlernen von Laubsägearbeiten. (Foto: U.S. Army, Screenshot).

 

 

LT COL Vincent J. Conrad war bis Mai 1949 der GYA-Jugendoffizier Schwabens und ein großer Freund der deutschen Jugend. Seine Großeltern stammten selbst aus Deutschland. Sein Motto: "Everything for the betterment of the German Youth" (Alles für die Besserung der deutschen Jugend). Nach 30jähriger Dienstzeit in der amerikanischen Armee kehrte er in seine kalifornische Heimat in den Ruhestand zurück. (Foto: Nachlaß Isolde Ehrensberger).

 

Pfingsten 1949 fand ein großes GYA-Schülerturnier auf dem TSG-Sportplatz an der Stätzlinger Straße statt. Ganz rechts zwei Angehörige der U.S. Army. (Foto: Nachlaß Isolde Ehrensberger).

 

Buben bei der Osternestersuche 1950 am Siebentischwald von Augsburg, südlich des Spickels. (Foto: Nachlaß Isolde Ehrensberger).

 

Augsburger Mädchen beim Rheinländertanz im abendlichen Zeltlager des GYA Füssens, 1951. (Foto: Nachlaß Isolde Ehrensberger).

 

Die GYA-Bewegung führte zu lang anhaltenden Jugendfreundschaften. Hier zwei Augsburger Schülerinnen im Skilager Oberjoch, Januar 1952. (Foto: Nachlaß Isolde Ehrensberger).

 

Mädchen der Tanzgruppe Ehrensberger fahren am 26.11.1949 nach Frankfurt/Main. Sie repräsentieren dort mit einem in den Stadtfarben dekorierten US-Truck ihre Heimatstadt Augsburg. Anlaß war ein Festzug des "Vittles Bowl" EC football classic. (Foto: Nachlaß Ehrensberger).

 

Brigadegeneral Gailey von der 43rd Infantry Division besucht das Kasperletheater im Augsburger GYA-Center.

 

Bei einer Weihnachtsfeier im Garrett-Theater führte die GYA-Tanzgruppe ein Theaterstück für 600 amerikanische Kinder auf, eine Woche später, am 19. Dezember 1952, wurde die Veranstaltung für 800 deutsche Schulkinder wiederholt.

 

Augsburger Kinder beschenken Generalmajor Partridge von der 5th Infantry Division mit einer Nikolausrute.

 

 

Das GYA-Center befand sich in einer prachtvollen ehemaligen Direktorenvilla der Spinnerei und Weberei am Sparrenlech an der Remboldstraße 1. Die dortige Führung oblag anfangs Mrs. Clinton A. Pierce, der Gattin des Kommandierenden Generals in Augsburg. Am 4. Mai 1949 besuchte die amerikanische Philantropistin und Wohltäterin Catherine Filene Shouse das GYA-Center. Sie war die zweite Frau des amerikanischen Verlegers, Anwalts und Politikers Jouett Shouse aus Kentucky. Mrs. Shouse spendete bereits tausende CARE-Pakete in die amerikanische Zone Deutschlands, allein Hunderte nach Augsburg. Bei einer erneuten Besuchsreise in deutschen GYA-Centern widmete sie sich Ende 1953/Anfang 1954 besonders den Augsburger GYA-Aktivitäten. Eine weitere GYA-Stelle befand sich in der Gögginger Straße an der Stelle des heutigen Strafjustizzentrums. Das dortige Haus wurde 1953 vom 109th Infantry Regiment unterstützt, während die 43rd Infantry Division das Center in der Remboldstraße betreute. Danach erfolgte das Sponsoring durch die 5th Infantry Division. Leitender GYA-Offizier war bis Mai 1949 Lt. Col. Victor J. Conrad, sein Nachfolger wurde Capt. Robert W. Wardrop. Im Februar 1949 übernahm Capt. Joyce Burton die Stellvertretung des Jugendoffiziers.

Der damalige Oberbürgermeister Dr. Klaus Müller und seine Frau Anni hatten sich stets mit Engagement für die GYA-Arbeit eingesetzt. Auch das Women´s Army Corps und der Direktor der Militärregierung, Mr. Donald S. Root, brachten sich in die Jugendtätigkeit ein. Das Programm reichte dabei bis in das Amerika Haus in der Prinzregentenstraße, welches dort am 14.12.1948 eingeweiht wurde. Noch im Januar des gleichen Jahres fand im alten Amerika Haus am Schmiedberg (American Library) die erste Kinderlesestunde statt. Schon 1946 wurden Kinder von Displaced Persons (DPs) in die GYA mit eingebunden und erlebten amerikanische Weihnachtsfeiern.

GYA-Center Januar 1954: Catherine Filene Shouse im Gespräch mit amerikanischen Militärs der 43rd Infantry Division. In der Mitte: Major General Charles K. Gailey. (Foto: Schlesinger Library).

 

GYA-Center 1954: Catherine Filene Shouse (links) hört Augsburger Kindern beim Weihnachtssingen in englischer Sprache zu. (Foto: Schlesinger Library).

 

Preisverleihung für eine Zeichenarbeit mit dem Titel "Bauer und Bäuerin kehren vom Felde zurück" durch das GYA-Jugendheim Remboldstraße im Jahr 1953. Das Mädchen war damals 12 Jahre alt. (Fotos: Privat).

 

 

Der Augsburger Hans-Günter Diebener war bereits als Zehnjähriger in der American Library des Amerika Hauses ein registrierter Leser. Er nahm dort auch an Englischkursen teil. An Weihnachten wurden hier kleine Singspiele aufgeführt, zu denen die Eltern eingeladen waren. Als Mitglied der Albert-Greiner-Singschule durfte er einmal mit anderen Kindern bei einer amerikanischen Weihnachtsfeier im Ludwigsbau an der Gögginger Brücke teilnehmen. Dort sangen sie deutsche wie amerikanische Weihnachtslieder und wurden anschließend (von, so zitiert: „gut angezogenen amerikanischen Damen“) beschenkt. Nach Auflösung des GYA-Centers in der Remboldstraße zogen die Jugendlichen in das Jugendheim an der Kanalstraße 15 im Bleichviertel. Aus der dortigen Schülerband entstanden bald darauf die „Canal Street Tooters“.

 

 

           Singspiel im Amerika Haus 1954 vor den Eltern der Kinder. (Foto: Hans Günter Diebener).

 

Seifenkistenrennen

Einen Höhepunkt des GYA-Programms bildeten die jährlichen Seifenkistenrennen zwischen 1949 und 1957. Dieses Spektakel war in Deutschland noch unbekannt und gestaltete sich zu einem amerikanischen Exportschlager in den großen Garnisonsstädten der US-Armee. Bis zu 20.000 Zuschauer säumten in Augsburg die abschüssigen Fahrbahnränder Am Pfannenstiel sowie später am Rosenaustadion. Die karge Nachkriegskultur lockte die Bürger, allen voran die 10-15 jährigen Buben zur regen Teilnahme an dem amerikanischen Rennspaß (Soap Derby). Noch 1964 startete der neugewählte Oberbürgermeister Wolfgang Pepper ein Rennen am Rosenaustadion. Die GYA gab es zu dieser Zeit längst nicht mehr.

Die in den Dreißigerjahren in einer US-Firma entstandene Idee, die Transportkisten von Seifenkisten zu kindergerechten Rennautos umzubauen, kam als friedvolle Kriegsfolge über den Atlantik. Das Sponsoring wurde in Deutschland von der Adam Opel AG, einer Tochter der amerikanischen General Motors übernommen. Sie stellte sogar eigene Bausätze dafür her. In den Garnisonen selbst übernahmen die jeweiligen Truppenverbände die örtliche Schirmherrschaft. So in Augsburg die Constabulary, die 43rd und 5th Infantry Division wie zuletzt die 11th Airborne (Luftlande-) Division. Bereits 1949 nahmen in ganz Deutschland 15.000 Kinder an über 500 Wettkämpfen (einschl. US-Zone Berlin) teil. Die Deutsche Meisterschaften erfolgten in München auf der Theresienwiese. Die dortigen Sieger gewannen eine zweiwöchige Reise nach Amerika, wo sie zusammen mit ihren Vätern beim großen „All American Soap Box Derby“ in Akron/Ohio den Höhepunkt der Seifenkistenwelt erleben konnten.

Die Sieger wurden stets mit großen Lorbeerkränzen und einem Fahrrad belohnt, dazu gab es für die anderen Teilnehmer Spiele und Sportartikel. Zu den Siegerehrungen waren sowohl der örtliche Standortkommandeur wie auch der Oberbürgermeister (anfangs Dr. Klaus Müller) zugegen. Dies gebot allein schon der Freundschaftsschluß zwischen Besatzern und Besetzten.

Die GYA war eine nur sehr kurze Zeitspanne in der über 50-jährigen Anwesenheit der amerikanischen Truppen. Sie errang gerade deshalb eine nicht unerhebliche Bedeutung im Zusammenspiel zwischen der Bevölkerung und den damaligen Besatzungstruppen. Die dabei gegründeten Spuren reichten weit über ein menschliches Lebensalter hinaus. Das spätere amerikanische Gegenstück war die American Youth Activity (AYA) mit einem gemeinsamen deutsch-amerikanischen Jugendprogramm.

 

                        1955: Die obere Startrampe Am Pfannenstiel. (U.S. Army Photo by Pasca).

 

1957 richtete die 11th Airborne Division das Seifenkistenrennen am Rosenaustadion aus. Ein Augsburger Polizist hält einem Fallschirmjäger das Megaphon zur Durchsage. (Foto: Big Pictures, Screenshot).

 

Die Fallschirmjäger der „Elften“ feuerten ihre Augsburger Schützlinge zum Sieg an. (Foto: Big Pictures, Screenshot).

 

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